zum Hauptinhalt

Politik: Sex, Drogen und Popen

Griechenland erlebt einen Justizskandal, der bis in hohe Kreise der orthodoxen Kirche reicht

Jorgos Kappos, Präsident von Griechenlands höchstem Gericht, will hart durchgreifen. „Mich beschäftigt nicht, ob die Zahl der korrupten Richter fünf, 13 oder 20 beträgt. Was ich will, ist die Säuberung der Justiz“, versprach er vergangene Woche. Inzwischen weiß man: Die Zahlen waren zu tief gegriffen. Zwei Richter und ein Staatsanwalt sind wegen des dringenden Verdachts der Bestechlichkeit vom Dienst suspendiert, gegen weitere 30 wird ermittelt. Und täglich gehen neue Anschuldigungen ein. Gegen Zahlung von Bestechungsgeldern, in Einzelfällen mehrerer hunderttausend Euro, sollen Justizbedienstete Haftbefehle gegen Drogendealer und Zuhälter aufgehoben, Strafprozesse niedergeschlagen und in Zivilverfahren das Recht gebeugt haben.

Was anfangs wie eine Justizaffäre aussah, wird aber immer mehr zu einem Skandal, der die Fundamente der griechisch- orthodoxen Kirche erschüttert. Führende Kleriker sind in Bestechungsfälle verwickelt. Eine zentrale Figur ist der Priester Iakovos Giosakis. Ihm werden Antikendiebstähle und Unterschlagungen vorgeworfen. Mit Bestechungsgeldern soll er Strafverfahren gegen ihn und andere kriminelle Popen abgebogen haben. Seit vergangenen Freitag sitzt der gestrauchelte Geistliche in Untersuchungshaft.

Inzwischen geraten sogar Bischöfe in den Strudel der Affäre. Mit ungläubigem Staunen lesen die Griechen in den Zeitungen Tag für Tag neue Enthüllungen. Es geht um Geld, Sex, Prostitution und Drogen. Am Montag veröffentlichte die Athener Zeitung „Avriani“ auf der Titelseite ein Foto, das angeblich einen 93-jährigen orthodoxen Bischof beim Oralsex zeigt. Die Gesichter der Beteiligten sind auf dem Bild allerdings nicht zweifelsfrei zu erkennen. Ende vergangener Woche suspendierte die Kirchenleitung den Bischof von Attika, Pateleimon, für sechs Monate vom Dienst. Man wolle ihm Gelegenheit geben, „seine Unschuld zu beweisen“, sagte ein Sprecher der Kirchenleitung. Der Bischof soll ein Vermögen von nahezu drei Millionen Euro angehäuft haben – „unterschlagen“, wie ihm vorgeworfen wird, „gespart“, wie er sich selbst rechtfertigt, „als Rücklage für mein Alter“. Jetzt sendete ein Athener Fernsehkanal den Mitschnitt eines angeblichen Telefongesprächs, in dem der Geistliche mit einem männlichen Prostituierten detailliert über Liebesdienste verhandelt. Der Bischof bezeichnet die Aufnahme als Fälschung. Zeugen zufolge war der Gottesmann allerdings schon früher im Strichermilieu gesehen worden.

Peinlich sind diese Enthüllungen vor allem für den Athener Erzbischof Christodoulos, das Oberhaupt der Kirche Griechenlands, denn Tiraden gegen Homosexuelle gehören zu seinen Lieblingsthemen. „Dunkle Kräfte“ versuchten, mit „Verleumdungen“ den Klerus in Misskredit zu bringen, klagt der Kirchenvater und appelliert an die Medien, keine weiteren Enthüllungen mehr zu bringen.

Der Wunsch ist verständlich, denn inzwischen gerät er selbst ins Zwielicht. Jetzt wurde ein Brief bekannt, mit dem Christodoulos 1994, damals noch als Bischof von Dimitriada, von einem Untersuchungsrichter die Freilassung eines albanischen Drogendealers forderte, der mit einem halben Kilo Heroin festgenommen worden war. Der junge Mann, der später zu mehreren Jahren Haft verurteilt wurde, hatte angeblich enge Beziehungen zu einem damaligen Vertrauten von Christodoulos, dem heutigen Bischof von Thessalien, Theoklitos. Der muss sich nun gegen den Vorwurf verteidigen, im Januar 2003 gemeinsam mit dem Bürochef des Erzbischofs Christodoulos bei einer Razzia wegen Drogenhandels festgenommen worden zu sein. Nun interessiert die Justiz die Frage, warum es nie zu einem Verfahren gegen die beiden Geistlichen kam. Der Büroleiter des Erzbischofs ist inzwischen spurlos verschwunden.

Zur Startseite