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Kondom-Aufklärungskampagne auf den katholischen Philippinen.

© dpa

Sexualmoral: Sexregeln des Vatikans sind Gläubigen egal

Eine Umfrage der katholischen deutschen Bischöfe ergibt ein für die Kirche enttäuschendes Bild zur Sexualmoral ihrer Anhänger. Wie wichtig ein grundsätzliches Umdenken wäre, zeigt eine besonders erschütternde Erkenntnis.

Die meisten katholischen Frauen und Männer in Deutschland leben vor der Ehe zusammen und verhüten mit der Pille. Scheitert eine Ehe, heiraten auch Katholiken ein zweites Mal – obwohl das die katholische Lehre verbietet. Immer wieder haben Umfragen in den vergangenen Jahren zutage gefördert, wie tief die Kluft zwischen Lehre und Leben ist. Jetzt hat sich die Kirche selbst einen Spiegel vorgehalten und bewertet die Situation durchaus selbstkritisch. „Grundsätzlich gilt für gesamtkirchliche Verlautbarungen, dass ihr sprachlicher Duktus und ihr autoritativer Ansatz nicht dazu angetan sind, das Verständnis der Gläubigen zu wecken“, heißt es in einem Dokument, das die Deutsche Bischofskonferenz nach Rom geschickt hat, um die Stimmung unter den deutschen Katholiken wiederzugeben. Die „Grenzen der Verbotsethik“ seien deutlich geworden. Eine „stärkere Beachtung des einzelnen Menschen als Person und Subjekt in seiner eigenen Verantwortung“ sei erforderlich.

Papst Franziskus will mit den Bischöfen über Sexualmoral reden

Anlass ist eine Synode im Herbst in Rom, auf der Papst Franziskus mit den Bischöfen seiner Weltkirche über die kirchliche Lehre über Familie und Sexualmoral diskutieren will. Im Vorfeld hat der Vatikan Fragebögen in alle Diözesen geschickt, um die Einstellung der Katholiken zu erfragen. Die 27 deutschen Ortsbischöfe haben die Bögen in die Gemeinden und Verbände weitergereicht. Am Montag veröffentlichte die Bischofskonferenz eine Zusammenfassung der Auswertung. Demnach kennt kaum noch ein jüngerer Katholik die einschlägigen kirchlichen Dokumente. Die Aussagen, die zu vorehelichem Geschlechtsverkehr, zur Homosexualität, zu wiederverheirateten Geschiedenen und zur Geburtenregelung bekannt sind, „werden überwiegend explizit abgelehnt“.

Geschiedene empfinden ihre Situation nicht als "irregulär", so, wie die Kirche das sieht

Besonders deutlich wird die Kluft zwischen Lehre und Leben beim Umgang mit Geschiedenen, die erneut heiraten. Nach der kirchlichen Lehre sind sie von dem Sakrament der Eucharistie ausgeschlossen. „Wie leben die Getauften in ihrer ,irregulären Situation‘?“, fragt der Vatikan. Die Getauften würden ihre Situation nicht als „irregulär“ wahrnehmen, antwortet die Bischofskonferenz. Die Trennung und den Aufbau einer neuen Beziehung erachteten viele als moralisch gerechtfertigt und sähen das Verbleiben in einer unzumutbaren Beziehung als Schuld an. Vielerorts würden die Pfarrer längst nicht mehr kirchenkonform handeln und die verheirateten Geschiedenen nach einem seelsorgerlichen Gespräch zur Eucharistie zulassen.

Viele Menschen hoffen aber nach wie vor auf eine stabile, lebenslange Partnerschaft und wünschen sich dafür den kirchlichen Segen. Auch die Ehe steht nach wie vor hoch im Kurs – selbst wenn 2012 fast ein Drittel der katholischen Kinder außerehelich geboren wurde. Künftig wollen die Bischöfe ihre Botschaften „einladender“ vermitteln. Wie wichtig ein grundsätzliches Umdenken wäre, zeigt die Erkenntnis, die vielleicht am erschütterndsten ist: In Lebenskrisen kann die Kirche den Menschen immer seltener beistehen. Viele wenden sich dann erst recht ab.

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