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Die Flaggen der Europäischen Unions und Griechenlands vor der Akropolis in Athen

© dpa

Showdown für Tsipras und Griechenland: Vor Finanzministertreffen in Brüssel

Die Verhandlungen mit Griechenland spitzen sich immer stärker zu. Kommt es diese Woche zum Showdown?

Es ist die entscheidende Woche für Griechenland und die Euro-Zone. Am Mittwoch das Treffen der Finanzminister, am Donnerstag der Gipfel der Staats- und Regierungschefs – und am kommenden Montag der Showdown im Rahmen eines Euro-Gruppen-Treffens. Über allem steht die Frage: Wird sich die griechische Regierung mit ihren Geldgebern auf ein gemeinsames Vorgehen einigen? Oder kommt es zum Frontalzusammenstoß, auf den ein Austritt der Griechen aus dem Euro folgen könnte? Ein Szenario, das niemand will – wie beide Seiten immer wieder betonen. Trotzdem sind nach der Europa-Tour des griechischen Premiers Alexis Tsipras und seines Finanzministers Yanis Varoufakis die Fronten verhärtet. Gleichzeitig wird die Zeit knapp, denn schon bald muss Griechenland Milliardensummen aufbringen, um fällige Schulden zu zahlen.

Stimmen die Berichte über einen Zehn-Punkte-Plan?

Offiziell gibt es keine Bestätigung für eine Art gemeinsam erarbeiteten „Reformplan“ zwischen Griechenland und der EU-Vertretern. Im Gegenteil: Die Vorbereitungsgespräche der Experten in Brüssel und Athen verlaufen der Sprecherin von EU-Kommissionschef Jean- Claude Juncker zufolge „nicht sehr fruchtbar“. Sie dementierte ausdrücklich die Existenz eines vorbereiteten Zehn- Punkte-Plans, über den zuvor mit Verweis auf Quellen in Athen berichtet worden war. „Das ist wahrscheinlich einer der Tricks von Finanzminister Yanis Varoufakis“, hieß es aus Kreisen der Euro- Gruppe, „wir haben das Problem, dass bisher überhaupt nichts Handfestes auf dem Tisch liegt.“ Die Tagesordnung der Sitzung soll in einem Vortreffen der Staatssekretäre festgezurrt werden. „Über irgendetwas müssen die Minister ja reden“, sagt ein EU-Diplomat leicht genervt: „Bisher ist das ein Treffen ohne Tagesordnung.“ Ein Regierungsvertreter Belgiens spricht „von ziemlich schlechter Stimmung in Brüssel“.

Welche Verhandlungsstrategie haben beide Seiten?

Premier Tsipras und besonders sein Finanzminister Varoufakis haben von Anfang an auf Maximalforderungen gesetzt: keine Troika, ein Schuldenschnitt, ein Ende der harten Sparpolitik. Nach der Gesprächstour durch europäische Hauptstädte sind sie davon nur in einzelnen Forderungen abgerückt. Der Schuldenschnitt soll einer Umschuldung weichen, die Mindestlöhne beispielsweise erst ist zwei Jahren erhöht werden. Doch im Grundsatz hält sich die griechische Regierung weiter streng an ihre Wahlversprechen, will das Troika-Programm nicht weiterführen und hofft auf ein Einlenken der Geldgeber. Denn die beiden Politiker wissen: einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone würden auch viele Griechen nicht mittragen.

In Brüssel gibt man sich genauso hart, auch der Ton ist schärfer geworden. Über Varoufakis’ Verhandlungstaktiken macht man sich in Brüssel angeblich keine großen Gedanken. „Die Spieltheorie spielt keine Rolle – in der Praxis sind das gefährliche Amateure“, sagte einer, der mit den Gesprächen vertraut ist. Dem Ökonomieprofessor Varoufakis eilt der Ruf eines Experten für Spieltheorie voraus. Eine dieser Theorien beschäftigt sich mit dem sogenannten „Chicken run“. Die Kalkulation des Spieltheoretikers besteht darin, dass er den Gegner zu einem solchen Rennen an den Abgrund zwingt und damit rechnet, dass er selber, obwohl er unterlegen ist, die besseren Nerven hat. Der Stärkere hat mehr zu verlieren und gibt schließlich nach. Varoufakis wurde in den vergangenen Wochen von Beobachtern häufig unterstellt, mit seiner Verhandlungstaktik genau diesem Schema zu folgen.

Was hat Europa zu verlieren?

Aus Sicht vieler Euro-Staaten riskiert vor allem die griechische Regierung neue finanzielle Instabilität in Europa: „Bei dem Treffen wird den Griechen klar gemacht werden müssen, dass die Zeit abläuft“, sagt ein weiterer Diplomat aus einem großen Mitgliedsland, „denn es sind ja nicht nur die Regierungen, die ihre ersten Ideen skeptisch sehen – die Märkte reagieren ja schon.“ Neben den steigenden Risikozuschlägen für griechische Staatsanleihen gilt auch die Gefahr eines Bank-Runs als real. Auch der Kurs des Euros schwächelt. Momentan kostet ein Dollar nur rund 1,13 Euro.

Welche Rolle spielen symbolische Umbenennungen?

Da beide Seiten weitreichende inhaltliche Zugeständnisse kategorisch ausgeschlossen haben, könnte der Symbolik bei der Konsenssuche eine große Rolle zukommen. So ist beispielsweise bereits darüber geredet worden, die Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds nicht mehr auf Sachbearbeiterebene nach Athen fahren zu lassen. Verhandlungen auf Chefebene – auf Augenhöhe sozusagen – könnten eine Möglichkeit darstellen. Künftige Reformbedingungen könnten nicht mehr in einem „Memorandum“ niedergelegt sein, sondern in einem „Zukunftsvertrag“.

Wie groß ist die Furcht vor einer politischen Ansteckungsgefahr, sollte Syriza sich durchsetzen?

In Deutschland wird diese Gefahr besonders betont. Clemens Fuest, Leiter des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, sagt: „Die Signalwirkung wäre fatal. Wenn eine solche Erpressung erfolgreich ist, dann werden zukünftig alle politischen Diskussionen auf europäischer Ebene so laufen.“

Auch in Brüssel sieht man das keineswegs entspannter. Und das, obwohl die Front gegen Griechenland bisher ziemlich einheitlich ist und sogar in den anderen Krisenländern mitziehen: „Die regierenden Sozialisten in Frankreich und Italien mögen Tsipras etwas wohlwollender empfangen haben, aber sie wissen, dass es sie ebenso zerlegen könnte wie ihre Pasok-Parteifreunde in Griechenland, wenn er mit diesen Erfolg in Europa hat“, sagt der Diplomat eines großen EU-Mitgliedslands. Und Länder wie Irland, Portugal und Spanien, die ebenfalls harte Bedingungen im Gegenzug für Milliardenhilfen erfüllen mussten, hätten ohnehin kein Interesse daran, „dass Griechenland eine Vorzugsbehandlung erhält“, sagt der Diplomat. Schon jetzt belaufe sich der Schuldendienst in Spanien auf 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, während es in Griechenland zwei Prozent seien.

Eine kleine Geste der Rebellion ist am Rande des Geschehens bisher schon zu vermelden: Aus Zypern reiste die Troika dieser Tage unverrichteter Dinge ab. Das Parlament hatte sich geweigert, ein Gesetz anzunehmen, das Banken die Zwangsversteigerung verschuldeter Privathaushalte erleichtern sollte.

Finanziell würde die Euro-Zone einen Austritt Griechenlands wohl überstehen - aber politisch?

Sieht Brüssel beim Euro-Austritt Griechenlands eine Ansteckungsgefahr für den Finanzsektor?

Ökonomen sind sich ein einem Punkt relativ einig: Rein finanziell wäre ein „Grexit“ für die Euro-Zone inzwischen zu verkraften. „Griechenland hat inzwischen den Großteil seiner Schulden bei den anderen EU-Staaten, der EZB und dem Internationalen Währungsfonds und nicht bei Privatgläubigern oder anderen Banken“, sagt Michael Burda, Ökonomieprofessor an der Humboldt Universität in Berlin. Für die Griechen allerdings, sagt Burda weiter, wäre es finanziell eine Katastrophe, wenn ihre Banken von der Geldversorgung durch die Europäische Zentralbank abgeschnitten werden sollten. Die Griechen haben damit auf den ersten Blick mehr zu verlieren. Allerdings weiß auch niemand, welchen Imageschaden das Ausscheiden des Landes für die Euro-Zone hätte, welche politischen Konsequenzen dieses für das gesamte Konstrukt Europäische Union mit sich brächte.

Welche finanziellen Optionen hat Griechenland im Falle eines Scheiterns aller Verhandlungen?

Von diesem Mittwoch an können griechische Banken griechische Staatsanleihen mit Ramsch-Bonität nicht mehr als Pfand für frisches Zentralbankgeld der EZB hinterlegen. Damit geht dem Land langsam das Geld aus. Es wird erwartet, dass griechische Banken auf sogenannte ELA-Notfallkredite ihrer Zentralbank in Athen zurückgreifen müssen. ELA steht für „Emergency Liquidity Assistance“ und ist eigentlich nur für sehr kurze Notfallüberbrückungen geplant, nicht aber für längere Durstphasen. Erstens sind die Zinsen für diese Darlehen vergleichsweise hoch – und auch hier kann die EZB ihrer griechischen Filiale bei Bedarf das Geld abdrehen. Dass sie drastischen Schritten nicht abgeneigt ist, hat sie gerade beweisen.

Der rechtspopulistische Verteidigungsminister Panos Kammenos hat gedroht, sein Land werde die USA, Russland oder China um Finanzhilfe bitten. Kammenos bezeichnete das als „Plan B“. Die Frage im Moment ist aber noch: Was ist der Plan A?

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