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Politik: Sibirisch kühl

Beim deutsch-russischen Treffen geht es um den Energiestreit – Putin zeigt sich verärgert über Europa

Besonders herzlich wirkt der Empfang nicht: In der Universitätsbibliothek in Tomsk marschiert Wladimir Putin am Mittwoch erst einmal an einer verdutzen Angela Merkel vorbei. Zielstrebig stellt sich der russische Präsident vor die Kameras und wendet sich dann zur Begrüßung der Kanzlerin um. Wie ein Traumstart für die zweitägigen deutsch-russischen Konsultationen wirkt dies nicht gerade, für die Merkel mit einem Riesenaufgebot an Ministern und Wirtschaftsvertretern in das 4640 Kilometer entfernte Tomsk geflogen ist. Dabei soll die Auswahl der sibirischen Universitätsstadt Symbol dafür sein, dass die bilateralen Beziehungen mehr darstellen als nur das Thema Energie. Beide Seiten betonen die Bedeutung der Themen Forschung, Wissenschaft und Jugendaustausch.

Zehn Minister und 20 Topmanager begleiten die Kanzlerin. Am Rande des Besuchs werden eine Reihe von Abschlüssen erwartet. So wird die staatliche russische Bahn RZD an diesem Donnerstag mit der Deutschen Bahn einen mehrere Millionen Euro schweren Rahmenvertrag zum Aufbau eines Logistikzentrums in Russland unterzeichnen.

Aber dennoch bleibt Energie das überragende Thema. BASF etwa unterzeichnet ein Abkommen über den Einstieg in das russische Gasfeld Yuschno Russkoje. Die Grundstimmung ist jedoch geprägt durch Putins Verärgerung darüber, dass im Westen gerade wieder das Bild eines bedrohlichen Russland aufgebaut wird, das Europa Gaslieferungen verweigern könnte. Kurz vor Merkels Ankunft verschärfte Putin jedoch selbst den Ton: Er warf Europa am Mittwoch „unfaire Konkurrenzmethoden“ vor. Putin sagte weiter, obwohl es weltweit eine starke Nachfrage nach russischer Energie gebe, werde sein Land bei dem gewünschten Einstieg in andere Märkte gebremst.

Der Kanzlerin versicherte Putin allerdings am Mittwoch bei ihrem Gespräch, dass Moskau seine Verpflichtungen zur Lieferung von Gas nach Europa einhalten werde. Es gebe wegen des Energiestreits „keinerlei Grund zur Beunruhigung“, sagte ein Kreml-Mitarbeiter. Deutsche Regierungskreise bestätigten die Angaben zu den Äußerungen Putins. Merkel hatte nach dem ersten Treffen mit dem Kremlchef in Tomsk lediglich gesagt, sie hätten unter anderem über die Kooperation in der Energiewirtschaft gesprochen.

Für Merkel macht der neu aufgeflammte Streit um die Versorgungssicherheit die Aufgabe nicht einfacher, nach ihrem Antrittsbesuch im Januar zur Normalität in den deutsch-russischen Beziehungen überzugehen. Ohnehin ist sie schon in den ersten Monaten ihrer Amtszeit immer mehr in eine schwierige Mittlerposition zwischen den USA, osteuropäischen EU-Staaten und Moskau gerückt, findet auch der Russland-Experte der DGAP, Alexander Rahr. Das betrifft auch internationale Krisenthemen wie das iranische Atomprogramm. (HB, mit AFP)

Andreas Rinke[Tomsk]

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