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Sicherheit in Fußballstadien: Nordrhein-Westfalens Polizei in der kontrollierten Defensive

Nordrhein-Westfalen will weniger Polizei in den Fußballstadien einsetzen – und setzt auf Mithilfe der Vereine. Was ist davon zu halten?

Als Bremen vor ein paar Wochen ankündigte, bei der Deutschen Fußball-Liga künftig Gebühren zu erheben für die Polizeieinsätze im Fußballstadion, schien das ein Steilpass für andere Bundesländer gewesen zu sein. Nun meldet sich Nordrhein-Westfalen zu Wort – mit einem anderen Ansatz, der aber auf das gleiche hinausläuft: Die klamme Landeskasse von Kosten für die Bereitstellung von Polizeikräften bei Fußballspielen zu entlasten. Was die einen als längst überfälligen Schritt loben, sehen die anderen als fahrlässige Preisgabe einer staatlichen Kernaufgabe an.

Wie ist es zu dem Erlass in Nordrhein-Westfalen gekommen?

Die Fachleute des Innenministeriums in Düsseldorf haben ausgerechnet, dass die Zahl der Spiele in der ersten bis dritten Fußball-Liga in der anlaufenden Saison noch einmal kräftig zunehmen, von exakt 210 auf insgesamt 231 Spiele. „Da sind allein sechs Derbys mit besonderem Sicherheitsbedarf hinzugekommen“, sagt Innenminister Ralf Jäger (SPD), der als Duisburger gerne mit dem MSV fiebert und weiß worüber er redet. „Wir haben nicht das Personal, noch einmal zehn Prozent mehr Einsätze zu schaffen, obwohl wir bei der Polizei für deutlich mehr Stellen gesorgt haben“, betont er.

In den zurückliegenden Spielzeiten war die nordrhein-westfälische Bereitschaftspolizei zu einem guten Drittel allein durch die Fußballspiele ausgelastet. Es gab und gibt im übrigen nicht nur Problemspiele in den ersten drei Fußballligen, nicht selten müssen die Beamten bis hin in die vierte oder fünfte Liga Sonderschichten einlegen, weil Vereine wie der Wuppertaler SV mit besonders gewalttätigen Fans das nötig machen. Von den insgesamt 2500 Bereitschaftspolizisten ist jeder Dritte rings um den Fußball im Einsatz. Obwohl das Ministerium die Kosten für diese Einsätze nicht öffentlich machen möchte, belaufen sich allein die Personalausgaben im größten Bundesland auf rund 40 Millionen Euro pro Spielzeit.

Was soll sich bei den Polizeieinsätzen in NRW ändern?

Jägers Fachleute haben vorgeschlagen, die Polizeipräsenz anlassbezogen zu kalkulieren und bei dem einen oder anderen Spiel weniger Beamte vor Ort zu haben. Damit dieser Teil nicht falsch verstanden wird, erklärt Jäger sofort, was er damit meint: „Es geht uns allein um Spiele, die in den vergangenen drei Jahren ohne Krawalle geblieben sind, hier wollen wir den Kräfteeinsatz der Bereitschaftspolizei lageangepasst zurückfahren.“ Statt einer Hundertschaft mit 128 Beamtinnen und Beamten kann er sich vorstellen, nur noch ein oder zwei Züge zu schicken. Die Polizei soll dann im übrigen auch nicht mehr offensiv präsent sein, sondern sich im Straßenbild zurückhalten, außerdem will man die Anfahrtswege vom Bahnhof zum Stadion für den Testzeitraum bis zum 27. September nicht mehr begleiten. „Das ist ein Angebot an die Fans, die mir immer wieder gesagt haben, dass sie die Polizeipräsenz stört, sie können jetzt selbst Verantwortung übernehmen“, wirbt Jäger.

Damit spielt der Innenminister den Fans und den Vereinen den Ball zu, die durch verstärkten Ordnereinsatz dafür sorgen sollen, dass sich ihre Anhänger friedvoller verhalten. In dem Erlass ist an vielen Stellen die Rede davon, dass die Polizei diese Konzepte gemeinsam mit den Netzwerkpartnern aus Vereinen und Fangruppen abstimmen will. Auch deshalb ist in der Anlage zwei des Erlasses, in der die interne Argumentationslinie erläutert wird, viel von „Chancen“ und „Dialog“ die Rede. Als am Montag Auszüge aus dem Erlass veröffentlicht worden waren, hatte das Alarmstimmung in den Führungsetagen vieler Profivereine ausgelöst, weil dort die schlichte Botschaft „NRW-Polizei zieht sich ganz aus den Fußballstadien zurück“ angekommen war. Umgehend ließ Jäger die Journalisten in der Landeshauptstadt zusammentrommeln, um klar zu stellen: „Wir wollen den Kräfteeinsatz der Polizei optimieren, aber wir bleiben dort präsent, wo wir wirklich gebraucht werden.“

Jäger weist ausdrücklich darauf hin, dass er – anders als die Bremer Bürgerschaft – weiterhin die Polizei ohne direkte Kostenbeteiligung der Vereine einsetzen möchte. „Ich halte deren Position rechtlich und politisch für falsch“, argumentiert Jäger. Er stehe zu dem Konsens, der zwischen der Deutschen Fußball Liga (DFL) und den Innenministern vor zwei Jahren ausgehandelt worden sei. „Wir sind für die öffentliche Ordnung zuständig, die Vereine müssen aber mehr innerhalb und außerhalb des Stadions für ihre Fans tun“, verlangt der Düsseldorfer Innenminister, der den Vereinen zwar attestiert, dabei vorangekommen zu sein, da sei „aber noch Luft nach oben“. Wie viel sich in den Vereinen bewegt hat, wird er bis zum 27. September genau beobachten und dann handeln, falls es erforderlich werden sollte.

Wie reagieren die Vereine in NRW?

Wie haben die Vereine in Nordrhein-Westfalen reagiert?

Heftige Erschütterung gab es nach Jägers Vorstoß bei den Profiklubs aus Nordrhein-Westfalen nicht. Die Vereine reagierten betont zurückhaltend und wollen zunächst einmal im Dialog prüfen, wie sie mit den Plänen des Innenministers umgehen. Man werde zunächst einmal „mit allen Beteiligten – sprich Innenministerium, Sicherheitsbeauftragte, Fans und Polizei – sprechen“, betont Frederic Latz, Pressesprecher beim 1. FC Köln. „Bevor das nicht geschehen ist, wird es von unserem Klub keine Stellungnahme geben.“

Auch bei Borussia Dortmund heißt es kurz und knapp: „Kein Kommentar.“ Beim Revierklub verweist man auf das Statement von Reinhard Rauball, aber auch darauf, dass der Jurist die Einschätzungen in seiner Funktion als Präsident der Deutschen Fußball Liga (DFL) gegeben habe und explizit nicht als Präsident des BVB. Rauball hatte sich überrascht gezeigt und betont, „wir waren im Vorfeld nicht über entsprechende Konzepte informiert“. Eine Meinung hat sich der 67-jährige Funktionär dennoch gebildet: Die Überlegungen des nordrhein-westfälischen Innenministeriums seien für ihn „im Grundsatz durchaus nachvollziehbar“, man werde sehen, zu welchen Ergebnissen der Pilotversuch komme. Und weiter führte Rauball aus: „Innenminister Ralf Jäger hat mir im persönlichen Gespräch glaubhaft versichert, dass es nicht darum geht, die Polizei aus dem öffentlichen Raum zurückzuziehen.“ Die Liga setze in Sicherheitsfragen „weiter auf einen konstruktiven Dialog mit der Innenministerkonferenz der Bundesländer“.

Der FC Schalke 04 betonte in einer ersten Stellungnahme, das Einsatzkonzept des NRW-Innenministeriums sei dem Klub bislang nicht bekannt: „Wir gehen daher davon aus, dass sich an den Vereinbarungen der vergangenen Saison und den Zuständigkeiten von Polizei und Ordnungsdiensten der NRW-Vereine nichts geändert hat. Gemeinsames Ziel war immer, die Sicherheitskonzepte so zu optimieren, dass künftig weniger Polizei im Stadion eingesetzt werden muss. Daran halten wir fest.“ Insofern decken sich die Ziele in Gelsenkirchen und im Düsseldorfer Ministerium.

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