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Politik: Sicherheit in XXL

Nach Heiligendamm geht es jetzt nur noch mit Sonderausweis – und auch das nicht ohne Probleme

Eigentlich sollten Detlef Rodenwald und seine sieben Kollegen seit acht Uhr im G-8-Tagungshotel in Heiligendamm Zimmer leer räumen, um Platz für die Delegationsbüros zu schaffen. Um elf Uhr wartete der Trupp am Mittwoch immer noch am Ausgabetresen in der Sicherheitsschleuse an der Straße zwischen Bad Doberan und Heiligendamm. Die Möbelpacker waren in den Dateien der zahlreichen Computer des Bundeskriminalamtes nicht zu finden. Ohne Anmeldung gab es für sie keinen Passierschein, der Weg zur Arbeit blieb ihnen versperrt.

Auch Kerstin Gideon verstand die Welt nicht mehr. In der Nacht zuvor hatte die Reinigungskraft noch in der Kontrollstelle geputzt. „Und jetzt dürfen wir nicht mehr hinein“, wundert sie sich. „Angeblich hat eine andere Firma den Auftrag, aber das muss ein Irrtum sein.“ Dabei sollte sie am Abend wieder putzen. „Wann soll ich denn schlafen, wenn ich hier so lange warten muss.“

Offiziell schloss die Polizei am Mittwoch um sieben Uhr die letzten vier Durchlässe in der „komplexen technischen Sperre“, wie sie den knapp 13 Kilometer langen, 2,50 Meter hohen und mit Stacheldraht bewehrten Zaun um den Tagungsort nennt. Bis zum 9. Juni kommt nach Heiligendamm nur noch, wer dort wohnt, arbeitet oder etwas anzuliefern hat und eine Ausweiskarte mit Passbild und integriertem Chip besitzt. Der Weg in die Sicherheitszone war am ersten Tag für viele Wartende eher holprig.

Gelassen wartete zwischen Aufzugsmonteuren, Schleusenwärtern und THW-Mitarbeitern Katrin Budai in der Schlange. Das Zimmermädchen aus dem Grand Hotel war extra zwei Stunden früher als sonst aufgestanden, um rechtzeitig zur Arbeit zu kommen. Ihren Wagen musste sie auf dem Parkplatz an der Rennbahn abstellen, zum Hotel bringt sie ein Shuttle-Bus. „Da müssen wir halt durch“, so Budai. Die Heiligendammerin Kathrin Hellwig musste auf eine Ausweiskarte für ihren 14-jährigen Sohn warten. „Vor Wochen hat die Polizei uns gesagt, der sei erst für 15-Jährige notwendig.“

Ellen Walther, die ebenfalls in Heiligendamm wohnt, lästerte den aufkommenden Frust weg. „Die machen sich hier alle in die Hose“ – womit sie den Sicherheitsaufwand meinte. Obwohl auch ihre Familie längst erfasst worden war, fehlte nun der „Batch“ für ihren Sohn Frank. Der Arzt musste das Procedere noch einmal über sich ergehen lassen, „obwohl er doch gleich zum Dienst muss“, wie seine Mutter erzählte. Nur wer seine Ausweiskarte hatte, konnte zügig eine der acht von Flughäfen bekannten Personenschleusen passieren. Akribisch untersuchten Zoll- und Polizeibeamte mit Plastikhandschuhen an den Händen Gürtel und ausgezogene Schuhe, wenn die Geräte anschlugen.

Wer mit dem Auto nach Heiligendamm wollte, dessen Unterboden war bis zur Rennbahn schon zweimal vorher „gespiegelt“ worden. An der Rennbahn mussten die Wagen über einen „Scanner in XXL“ fahren, wie der Polizist Dominik Fseisi erläuterte. An seinem Bildschirm konnte er „ungewöhnliche Veränderungen“ am Wagen erkennen.

Trotz des massiven Polizeiaufgebots in der Region gelang es fünf Aktivisten der Umweltschutzorganisation Robin Wood kurz vor der zweiten Sicherheitsschleuse bei Hinter Bollhagen zwischen zwei Bäume ein Transparent mit dem Spruch „Gemein vergnügen statt allgemein verfügen“ quer über die Straße zu spannen. Aus Protest gegen die Allgemeinverfügung der Polizei, die das Demonstrationsrecht einschränke, so ein Robin-Wood-Sprecher. Die Zufahrtsstraße zur Sicherheitsschleuse war über Stunden für fast alle Fahrzeuge gesperrt.

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