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Versucht es mit Gelassenheit. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) setzt in der NSA-Affäre auf die Defensive.

© dpa

Sicherheit vor Freiheit: Friedrich: Speichern von Daten dient einem "edlen Zweck"

Laut Innenminister Hans-Peter Friedrich dient das Speichern von Daten einem "edlen Zweck" - nämlich dem, Menschenleben durch das verhindern von Terroranschlägen zu retten. Doch die netzpolitische Devise der Regierung stößt auf Kritik. Experten fordern mehr Sachverstand im Kabinett.

Es spricht aus jedem Satz des Innenministers: Was soll die ganze Aufregung. Der Datenschutz, die Privatsphäre, alles schon wichtig und notwendig, aber was ist das gegen jedes einzelne gerettete Menschenleben bei einem verhinderten Terroranschlag. So in etwa geht die Argumentation von Hans-Peter Friedrich. 45 Anschläge weltweit seien durch das Spähprogramm Prism der Amerikaner verhindert worden, davon allein fünf in Deutschland, sagt der CSU-Politiker. Konkrete Hintergründe zu den verhinderten Terroranschlägen gebe es noch nicht.

Bekannt ist der Fall der Sauerlandgruppe aus dem Jahr 2007. Auch die sogenannte Düsseldorfer Zelle, vier Islamisten, die einen Anschlag geplant haben sollen, wird immer wieder in Sicherheitskreisen genannt. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) deutete zudem an, dass auch der Großraum Frankfurt mit seiner sicherheitsrelevanten Infrastruktur vom Flughafen bis zur Hochhauskulisse von Hinweisen der Amerikaner profitiert haben könnte. Im Bundesinnenministerium erhofft man sich durch die von den Amerikanern zugesicherte Deklassifizierung der Informationen weitere Erkenntnisse. Diese Deklassifizierung sei generell zugesichert worden, allerdings ohne konkrete Terminvereinbarung, wie es im Ministerium hieß.

Das Speichern von Daten, selbst das gezielte Durchforsten der Kommunikationsinhalte, dient also einem „edlen Zweck“, wie Friedrich sagt. Für ihn steht die Sicherheit im Zweifel vor der Freiheit im Netz. Genau diese Haltung kritisieren die Netzpolitiker häufig. Dem Christsozialen wird seit seinem Amtsantritt im Jahr 2011 vorgeworfen, entweder keine Ahnung vom Internet zu haben oder nur die Gefahren zu betonen. Auch Markus Beckedahl, Mitgründer der netzpolitischen Vereinigung „Digitale Gesellschaft“, verlangt mehr netzpolitische Kompetenz im Kabinett. Beckedahl war Sachverständiger in der Bundestags-Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, die unter anderem zu dem Ergebnis kam, dass es gut wäre, einen eigenen Internetminister oder ein Netzministerium zu haben.

Beckedahl sieht in der aktuellen Debatte um das Spähprogramm Prism einen Beleg dafür. „Die Netzpolitik sollte nicht im Innenministerium angesiedelt sein, weil ein Innenminister, der für Netzpolitik zuständig ist, wie ein Überwachungsminister wirkt“, sagte Beckedahl dem Tagesspiegel. Derzeit würden ausgerechnet die beiden für Netzpolitik zuständigen Politiker, Innenminister Friedrich und der Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann (CDU), die internetfeindlichsten Positionen im Kabinett Merkel vertreten. Ein echtes Internetministerium wäre ideal, aber unrealistisch. „Realistisch und im Jahr 2013 auch zwingend notwendig ist dagegen ein im Kanzleramt angesiedelter Staatsminister für Internetpolitik. Der würde an den Kabinettstisch mehr Sachverstand bringen und vor allem eine internetfreundlichere Position“, sagte Beckedahl. Dieser Staatsminister könne eine netzpolitische Gesamtstrategie der Bundesregierung entwickeln, „denn die gibt es bisher nicht“, findet Beckedahl.

Auch Experten von SPD und CDU hatten sich zum Abschluss der Kommission für ein solches Ministerium starkgemacht. Doch im Innenministerium sieht man das naturgemäß anders. „Das Thema ist im Bundesinnenministerium präsent, und es gibt auch eine eigene Abteilung für Informationstechnologie“, sagte ein Ministeriumssprecher. Allerdings wies er auch darauf hin, dass es sich beim Thema Netz- und Internetpolitik um eine Querschnittsaufgabe handele. „Doch statt ein eigenes Ministerium zu gründen, ist es sinnvoller, die bei uns vorhandenen Kompetenzen auszubauen und damit dem Thema am Kabinettstisch den Rücken zu stärken“, sagte der Sprecher.

Tatsächlich gibt es im Innenministerium eine IT-Beauftragte: Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe. Nur tritt diese kaum in Erscheinung. Ein Vollzeitjob ist das auch nicht, da sie parallel auch normale Staatssekretärsaufgaben erfüllen muss. Sie führt auch den „Nationalen Cyber-Sicherheitsrat“, allerdings tagt der nur drei Mal im Jahr oder anlassbezogen, wie es heißt. Anlass bedeutet: wenn etwas passiert ist, zur Nachbetrachtung. Experten gilt dieser Rat deshalb auch als stumpfes Schwert. Die Netzpolitiker kritisieren wiederum, dass dort auch nur die Gefahren des Internets thematisiert würden.

Der Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz hält von einem eigenen Internetministerium nicht viel. Aber er sieht Nachholbedarf in Sachen Netzkompetenz: „Die fehlt ganz eindeutig am Kabinettstisch von Frau Merkel.“

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