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Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede während der Sicherheitskonferenz in München.

© AChristof STACHE / AFP

Sicherheitskonferenz feiert Merkel: Kanzlerin kritisiert US-Politik von Donald Trump

Angela Merkel warnt in München vor den Folgen der „Amerika zuerst“-Politik und wirbt für einen konstruktiven Umgang mit China - und Russland.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstagmorgen eine größtenteils überschwänglich gefeierte Rede gehalten. Darin kritisierte sei die Politik der amerikanischen Regierung scharf und warnte vor einem Zerfall internationaler politischer Strukturen. „Wir dürfen sie nicht einfach zerschlagen“, sagte die CDU-Politikerin in Anspielung auf Donald Trump, ohne den US-Präsident direkt beim Namen zu nennen. „Es gibt sehr viele Konflikte, die uns herausfordern.“

Merkel warnte davor, die US-Armee "vorschnell" aus den Bürgerkriegsländern Syrien und Afghanistan zurückzuziehen. Bei den anderen wichtigen Streitpunkten wie der Gaspipeline Nord Stream 2 oder dem Export deutscher Autos in den USA wich die Kanzlerin keinen Schritt zurück - und erntete dafür spontanen Applaus. Kurz nach Merkel sollte US-Vizepräsident Mike Pence in München sprechen.

Das US-Handelsministerium ist nach Angaben von Merkel offensichtlich zu der Einschätzung gekommen, dass europäische Autos eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstellen. Das sei für Deutschland erschreckend, sagte Merkel. „Wir sind stolz auf unsere Autos. Das dürfen wir ja auch.“ Auf der Grundlage der Einschätzung des Handelsministeriums könnte US-Präsident Donald Trump neue Sonderzölle einführen. Der Wert europäischer Auto- und Autoteilexporte in die USA wurde zuletzt von der EU-Kommission auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr.

Merkel sagte, sie verstehe nicht, wie die Amerikaner deutsche Autos als Gefahr für die nationale Sicherheit einstufen könne. „Diese Autos werden gebaut in den Vereinigten Staaten von Amerika. In US-Bundesstaat South Carolina sei das größte BMW-Werk. „Nicht in Bayern, in South Carolina“, betonte sie vor einem lachenden Auditorium. „Ich glaube, es wäre gut, wir kommen in gute Gespräche miteinander.“

Merkel plädierte für einen Ausbau der internationalen Zusammenarbeit, die großen Probleme einer sich schnell verändernden Welt zu lösen. „Wir müssen in vernetzten Strukturen denken. Die militärische Komponente ist davon eine“, sagte die Kanzlerin. Sie betonte dabei die Bedeutung der Nato. „Wir brauchen die Nato als Stabilitätsanker in stürmischen Zeiten. Wir brauchen sie als Wertegemeinschaft.“

Merkel verteidigt Gas-Pipeline Nord Stream 2

Sie warnte die Bündnispartner davor, alle Beziehungen zu Russland zu kappen. Damit würde man die Zusammenarbeit mit Russland ganz China überlassen würde. „Wir wollen auch ein bisschen an den Handelsbeziehungen teilnehmen“, betonte sie.

Merkel verteidigte in diesem Zusammenhang die Gas-Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee. Die Abhängigkeit Europas von russischem Gas hänge nicht davon ab, ob die Pipeline gebaut werde oder nicht. „Ein russisches Gasmolekül bleibt ein russisches Gasmolekül, egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt.“

Die USA und osteuropäische Länder werfen Deutschland vor, die Abhängigkeit von russischem Gas bei der Energieversorgung durch den Pipeline-Bau zu erhöhen. Niemand wolle das, sagte Merkel. Sie fügte aber hinzu: „Wenn wir im Kalten Krieg (...) russisches Gas in hohem Umfang eingeführt haben, dann weiß ich nicht, warum die Zeiten heute so viel schlechter sein sollen, dass wir nicht sagen, Russland bleibt ein Partner.“

Sie rief China dazu auf, sich an Versuchen zur Rettung des INF-Abrüstungsvertrages zu beteiligen. Sie wisse, dass es bei dem Thema auf chinesischer Seite viele Vorbehalte gebe. Abrüstung sei aber ein Thema, dass alle umtreibe. Die USA hatten den INF-Vertrag Anfang des Monats mit Rückendeckung der Nato-Partner zum 2. August gekündigt. Offizielle Begründung sind Vorwürfe gegen Russland, das Abkommen seit Jahren zu verletzen.

Als weiterer Grund gilt aber auch die Tatsache, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende Deal nur Amerikaner und Russen bindet, nicht aber aufstrebende Militärmächte wie China. China soll mittlerweile über knapp 2000 ballistische Raketen und Marschflugkörper verfügen, die unter dieses Abkommen fallen würden.

Kanzlerin stellt Steigerung der Verteidigungsausgaben in Aussicht

Merkel sagte, nach den jahrelangen Vertragsverletzungen durch Russland sei die US-Kündigung „unabwendbar“ gewesen. Trotzdem sei es „eine ganz interessante Konstellation“, dass „ein Vertrag, der im Grunde für Europa gefunden wurde, ein Abrüstungsvertrag der unsere Sicherheit betrifft dann (...) von den Vereinigten Staaten von Amerika und Russland in der Rechtsnachfolge der Sowjetunion gekündigt“ werde.

Die Kanzlerin stellte eine weitere Steigerung der deutschen Verteidigungsausgaben in Aussicht, wies aber auch auf die Bedeutung einer umfassenden Entwicklungspolitik hin. Trump drängt seinen Nato-Partner Deutschland, den Verteidigungsetat in fünf Jahren auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufzustocken. Das würde Mehrausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe bedeuten. Merkel stellte in Aussicht, bis 2025 1,5 Prozent zu schaffen.

Die Steigerung der Verteidigungsausgaben sei für Deutschland ein „essenzieller Punkt“, sagte Merkel. Die Bundesrepublik leiste aber auch ihre Beiträge im Rahmen von gemeinsamen Einsätzen etwa in Afghanistan. Und: Deutschland sei auch einer der größten Geber auf der Welt bei der Entwicklungszusammenarbeit.

Merkel warnte die USA vor den Folgen eines schnellen Abzugs aus Afghanistan. In Deutschland sei große Überzeugungsarbeit geleistet worden, dass die Sicherheit des Landes auch am Hindukusch verteidigt werde. Sie möchte nicht erleben, „dass wir eines Tages weggehen müssen“, weil die dort sehr vernetzten Strukturen dann wegfielen. (dpa)

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