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Panzer Marder

© ddp (Archiv)

Sichern, schießen, abschrecken: Bundeswehr setzt Panzer gegen Taliban ein

Mit einer Offensive unter afghanischen Kommando wollen einheimische und deutsche Truppen die Lage vier Wochen vor den afghanischen Präsidentschaftswahlen in den Griff bekommen.

Von Michael Schmidt

Böswillig ließe sich aus seinen Worten schließen, selbst der oberste Soldat der Bundeswehr habe keine Ahnung. Aber genau das mache eben das Neuartige am „asymmetrischen Krieg“ aus, sagt der Generalinspekteur der Bundeswehr am Mittwoch in Berlin auf einer Pressekonferenz mit Verteidigungsminister Franz Josef Jung: „Wir wissen nicht genau, wer der Gegner ist, wir wissen nicht, wo er sich aufhält, und wir wissen nicht, was er vorhat“, gab Wolfgang Schneiderhan zu bedenken. Das zu ändern, „Kontrolle über den Raum“ zu gewinnen, die „Lage in den Griff“ zu bekommen und damit die für den 20. August geplanten Parlamentswahlen in Afghanistan zu sichern, das sei das Ziel der aktuellen, bisher „wahrscheinlich größten Operation“ der Bundeswehr am Hindukusch.

„Unser Problem ist nicht die Feuerüberlegenheit, die haben wir. Unser Problem ist nicht die Führungsüberlegenheit, auch die haben wir“, sagte Schneiderhan. „Unser Problem ist die Aufklärung.“ Mit anderen Worten: das fehlende Wissen darüber, wo sich was möglicherweise „zusammenbraut“. Es sei jetzt „an der Zeit“ gewesen, diese Eskalation vorzunehmen“, um auch „Abschreckungseffekte zu erzielen“, sagte der Vier-Sterne-General zur Begründung. Vor Ort sei seit März eine neue Lage entstanden. Die Aufständischen hätten ihre Taktik von reinen Sprengstoffanschlägen verändert hin zu richtigen Gefechten. Deswegen sei es nötig geworden, „dass die schnelle Eingreiftruppe jetzt die Möglichkeiten, die sie hat, auch nutzt, um Abschreckung zu erzielen“. Die Bundeswehr wolle im Vorfeld der Wahlen Stärke zeigen. Der Schutz der Wahllokale auch in der Region Kundus sei vornehmlich Aufgabe der Afghanen, aber Nato und Bundeswehr würden im Notfall helfen sollen und wollen. „Es muss jetzt klargemacht werden, dass wir willens und in der Lage sind, mit den afghanischen Kräften die Wahllokale in der Provinz zu sichern.“

Überhaupt: die afghanischen Kräfte. Minister Jung wie sein militärischer Berater Schneiderhan legen größten Wert darauf zu betonen, dass diese „Detailoperation“ nicht von Deutschland, sondern von den Afghanen geführt werde. Das sei die eigentlich bedeutende qualitative Veränderung, unterstrich Schneiderhan. „Drei Bataillone der afghanischen Armee, das hatten wir in der Größenordnung noch nie.“ Es handele sich um eine Operation von rund 900 afghanischen Sicherheitskräften, die von der internationalen Schutztruppe Isaf unterstützt werde. Unter anderem von der schnellen Eingreiftruppe „Quick Reaction Force“ (QRF), die mit schweren Waffen ausgerüstet ist, die jetzt auch erstmals zum Einsatz kamen: wie zum Beispiel die Panzerabwehrwaffe Milan, Mörser und der Schützenpanzer Marder, der mit seinen Waffen – Maschinenkanone und -gewehr – auch gegen andere gepanzerte Fahrzeuge kämpfen kann.

Die Betonung der afghanischen Führungsrolle ist vor allem vor dem Hintergrund der politischen Diskussion über eine Exit-Strategie und den möglichen Abzug der internationalen Truppen interessant, sagt Thomas Ruttig von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Wird als Voraussetzung dafür doch immer wieder genannt, dass die Afghanen selbst für ihre Sicherheit sorgen können. „Das Ziel der neuen US-Strategie wie der internationalen Gemeinschaft ist es, die afghanischen Sicherheitskräfte zu stärken und auf eigene Füße zu stellen“, sagt Ruttig. So weit das bisher zu beurteilen sei, machten die sonst vielfach als unprofessionell kritisierten afghanischen Kräfte „einen guten Job“, sagt Ruttig und fügt hinzu, „wenn die Operation ein Erfolg würde, wäre das ein wichtiges Zeichen nach innen und außen.“

Minister Jung mahnte deshalb, es bleibe eine der wichtigsten Aufgaben der Bundeswehr am Hindukusch, afghanische Soldaten und Polizisten auszubilden. Da sei „noch viel zu tun“. Von den Zielgrößen – jeweils 134 000 Soldaten und Polizisten – sei man noch ein gutes Stück entfernt. Bei den Polizisten (bisher ausgebildet: 45 000) noch mehr als bei den Soldaten (bisher ausgebildet: 90 000). Die Anstrengungen seien seit 2007 jedoch erheblich verstärkt worden.

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