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Ein Sohn sucht die Möder. Michael Buback sieht in Verena Becker eine Täterin. Foto: dapd

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Politik: „Sie ist schuldig“

Die Ex-RAF-Terroristin Verena Becker soll für den Buback-Mord büßen. Geschossen habe sie aber nicht, sagt die Bundesanwaltschaft.

Die Ankläger sind überzeugt zu wissen, wen sie mit Verena Becker vor sich haben: Eine verbohrte Exterroristin, die bei ihrer Abkehr von Gewalt und Zielen der RAF auf halbem Wege stehen geblieben ist. Vor allem sind sie überzeugt, eine Schuldige im Mordfall Buback gefunden zu haben.

„Sie ist schuldig, das steht für uns fest“, sagte Oberstaatsanwältin Silke Ritzert im Plädoyer der Bundesanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht Stuttgart am Dienstag. Becker habe sich beteiligt, als ein RAF-Kommando im April 1977 den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine beiden Begleiter in Karlsruhe erschossen hat. Sie sei nicht der Schütze auf dem Soziussitz des Motorrads gewesen, mit dem die Tat ausgeführt worden sei. Sie habe aber mitentschieden, Buback zu töten und habe diesen Willen der in Stammheim inhaftierten RAF-Mitglieder kompromisslos umgesetzt. Die Ankläger beriefen sich auf Aussagen des Exterroristen Peter-Jürgen Boock, den Beckers Verteidiger für unglaubwürdig halten. Verschiedene RAF-Mitglieder wurden wegen des Buback-Mordes verurteilt, Becker nie. Sie wurde 1977 nach einer Schießerei mit Polizisten festgenommen, bekam Lebenslang und wurde später begnadigt.

Im Wechsel schilderten Ritzert und Bundesanwalt Walter Hemberger, wie es zu dem nie vollständig geklärten Attentat gekommen war und welche Rolle Becker dabei gespielt haben soll. Es war beides: ein Schlussvortrag und eine Abrechnung mit der Nebenklage. Vieles, was am Dienstag gesagt wurde, soll den Behauptungen des Nebenklägers Michael Buback begegnen, der als nächster plädieren wird. Buback glaubt, Becker habe geschossen und danach habe der Verfassungsschutz seine Hand über sie gehalten.

Die Ankläger sehen in Becker keineswegs eine RAF-Mitläuferin, sondern eine damals treibende Kraft – und bis heute eine Lügnerin. Die RAF habe über ihre Vorhaben kollektiv entschieden, Beckers Einlassung im Prozess bestätigten ihre Zähigkeit und ihr Selbstbewusstsein. In einer Erklärung am 89. Prozesstag des seit mehr als anderthalb Jahren laufenden Mammutverfahrens hatte die 59-Jährige kürzlich behauptet, zum Zeitpunkt des Anschlags im Ausland gewesen zu sein. Zwar sei sie mit einer Aktion gegen Buback einverstanden gewesen, habe sich aber an Weiterem nicht beteiligt. „Wir nehmen ihnen die Behauptung ,ich war nicht dabei’ nicht ab“, sagte Ritzert dazu. Sie habe ihr Recht ausgeübt zu schweigen, teilweise zu schweigen und zu lügen.

Eine Enttäuschung, nicht nur für die Ankläger. Gerade die Angehörigen, allen voran Michael Buback, Sohn des Opfers, hatten sich ehrliche Worte erhofft, Reue, vielleicht eine Entschuldigung. Nichts davon kam. Becker habe sich offenbar entschieden, wieder in das Schweigekartell der RAF zurückzukehren, sagte Ritzert. Und das, nachdem sie vor Gefängnispersonal und Ermittlungsrichter sogar vom Leid der Opfer gesprochen habe.

Detailliert beschrieben die Ankläger Beckers Weg in den Terrorismus. Wie sie, als achtes von zehn Kindern, den frühen Tod des Vaters verwinden musste. Wie die Kräfte der Mutter nicht reichten, um ihr Halt zu geben. Wie sie, trotz ordentlichem Schulabschluss, abglitt in die Terrorszene der Bombenbastler um Michael „Bommi“ Baumann und dort „die persönliche Anerkennung fand, die sie zu vermissen schien“. Kein Umdenken auch, als nach dem ersten Anschlag auf den britischen Yachtclub in Berlin unbeabsichtigt ein Bootsmann ums Leben kam.

Zuvor hatte Bundesanwalt Hemberger die Dimension des Verfahrens umrissen. „Wir haben jedes Steinchen umgedreht, das Gericht ist jedem Hinweis nachgegangen.“ Aber es gebe keine Beweise, die auf eine unmittelbare Täterschaft der Angeklagten hindeuteten. Nebenkläger Buback warf er vor, sich Becker „als Täterin zurechtzuschnitzen“. Es habe keine schützende Hand gegeben, jede Mutmaßung darüber sei eine haltlose Spekulation. Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe alle relevanten Informationen offen gelegt, es sei nur darum gegangen, Quellen zu schützen. „Nichts wurde vertuscht.“

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