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Politik: Sie lassen Plakate sprechen

Das Geheimnis war zwar nicht schwer zu erraten, musste aber trotzdem gelüftet werden. Ohne jeden Hinweis auf den Auftraggeber war zum Auftakt des Wahljahres am Montag im Tagesspiegel und in der "Süddeutschen Zeitung" eine Anzeige erschienen, die für Gerhard Schröder und Joschka Fischer warb.

Von Hans Monath

Das Geheimnis war zwar nicht schwer zu erraten, musste aber trotzdem gelüftet werden. Ohne jeden Hinweis auf den Auftraggeber war zum Auftakt des Wahljahres am Montag im Tagesspiegel und in der "Süddeutschen Zeitung" eine Anzeige erschienen, die für Gerhard Schröder und Joschka Fischer warb. Erst am Montagmittag bekannten dann SPD-Generalsekretär Franz Müntefering und Grünen-Parteichef Fritz Kuhn die Urheberschaft für die Wahlwerbung, die beide Parteien angeblich "anteilig" finanzieren.

Das Plakat, vor dem die Koalitionspartner Müntefering und Kuhn am Montag im Regierungsviertel posierten, zeigt das gleiche Motiv wie die Anzeige: Ein Schwarz-Weiß-Foto unter den markigen Leitworten "Verantwortung und Vertrauen. Politik für unser Land." Auf dem Foto scheint ein jovial wirkender Kanzler (dunkler Anzeug) seinem Außenminister (heller Anzug) mit einer lässigen Handbewegung vor einer Kabinettssitzung etwas zu erklären, während dieser halb kritisch, halb amüsiert über seine Halbbrille linst - offensichtlich die Größe der Verantwortung abschätzend.

Für die Grünen hätte das Wahljahr wohl kaum besser beginnen können als mit diesem Bekenntnis des großen Regierungspartners zur Fortsetzung der gemeinsamen Koalition - vor der Zustimmung des Grünen-Parteitags zum Afghanistan-Einsatz hatte der Kanzler noch demonstrativ mit der liberalen Option gedroht. Freilich scheint die Festlegung auf Rot-Grün bei der SPD doch Grenzen zu haben. "Wir machen keinen Koalitionswahlkampf", versicherte SPD-Generalsekretär Müntefering am Montag. "Wir machen Wahlkampf für uns." Von der Beliebtheit des Außenministers, der in Umfragen regelmäßig Spitzenplätze erreicht, wollen aber offensichtlich auch die Sozialdemokraten profitieren.

Die Grünen scheinen mit dem Plakat zum Wahljahrauftakt eine Vorentscheidung getroffen zu haben, wen sie als Spitzenpolitiker herausstellen wollen - auch wenn Fritz Kuhn vehement bestritt, dass sich seine Partei schon auf Fischer als alleinigen Top-Kandidaten im Wahlkampf festgelegt habe. In der Partei, die seit ihrer Gründung an hysterischer Prominenten-Phobie leidet, war noch fast bei jedem Bundestagswahlkampf leidenschaftlich darüber gestritten worden, wer denn aufs Plakat sollte. Kuhn dementierte auch entschieden eine "Spiegel"-Meldung, wonach Claudia Roth und Renate Künast ihre Berücksichtigung in der Wahlkampagne verlangt hätten. Für welches Wahlkampfkonzept die Grünen sich auch in den kommenden Wochen entscheiden: An ein Plakat mit Schröder und Umweltminister Jürgen Trittin wird wohl eher nicht gedacht.

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