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Politik: "Sie sind die Nachbesserungsregierung" - Pleiten, Pech und Pannen bei den Beratungen zum Gesetzespaket

"Sie sind die Nachbesserungsregierung - was am Morgen noch gilt, ist am Abend schon nicht mehr vorhanden." Als Bayerns Sozialministerin Barbara Stamm (CSU) so im Bundestag polemisierte, ahnte sie selbst nicht, wie recht sie in diesem Fall behalten sollte.

"Sie sind die Nachbesserungsregierung - was am Morgen noch gilt, ist am Abend schon nicht mehr vorhanden." Als Bayerns Sozialministerin Barbara Stamm (CSU) so im Bundestag polemisierte, ahnte sie selbst nicht, wie recht sie in diesem Fall behalten sollte. Am Morgen noch schien sicher, dass die Gesundheitsreform an diesem Donnerstag glatt durch den Bundestag gehen würde, am Nachmittag standen SPD und Grüne vor einem Trümmerhaufen. Die Schlussabstimmung über die Gesundheitsreform war durch eine falsche Textvorlage vorübergehend in Frage gestellt.

Der böse Satz von CDU-Chef Wolfgang Schäuble: "Die können es nicht" hatte sich wieder einmal bestätigt. Nicht so sehr durch politische Fehler, sondern schlicht durch handwerkliches Ungeschick, als in letzter Minute Änderungen fehlerhaft übermittelt wurden.

Was war passiert? In den Ausschussberatungen hatten SPD und Grüne noch Änderungen in den Text einfügen wollen. Die Opposition protestierte jedoch und verlangte eine öffentliche Anhörung. Um den Terminplan für die Reform nicht zu gefährden, zog die Koalition zwei Ergänzungswünsche wieder zurück. In der Druckvorlage für die Bundestagsabgeordneten tauchten die Passagen jedoch wieder auf - "auf merkwürdige Weise", wie SPD-Gesundheitsexperte Rudolf Dreßler sagte. Inhaltlich ging es darin um eine Detailregelung zur stärkeren Verzahnung verschiedener Bereiche der medizinischen Versorgung.

Während Kanzler Gerhard Schröder im fernen Peking noch alles in bester Ordnung wähnte, nahm so das Unheil seinen Lauf. Mehrere Unionsabgeordnete, die den Fehler auf Seite 152 des 512-Seiten-Textes wohl eher zufällig bemerkt hatten, schlugen Alarm. "In der Vorlage steht etwas anderes, als wir im Ausschuss beschlossen haben", platzte zunächst der CDU-Abgeordnete Wolfgang Lohmann in die Debatte. Von sich aus räumte der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Klaus Kirschner (SPD), dann die Sache mit den Betriebskrankenkassen auf Seite 394 ein, die der Opposition bis dahin offenbar noch nicht aufgefallen war. "Ein Übermittlungsfehler", spielte er den Vorgang herunter.

Auf Antrag von Union und FDP wurden die Beratungen ausgesetzt, um zunächst erneut im Gesundheitsausschuss zu beraten. Dort und auch später im Plenum setzten die Koalitionsabgeordneten aber per Mehrheitsbeschluss durch, die korrigierte Vorlage solle doch noch am selben Tag im Bundestag zur Abstimmung gestellt werden. Gegen 18.30 Uhr war sie dann schließlich verabschiedet.

Der Vorgang reiht sich ein in eine ganze Serie von Pleiten, Pech und Pannen im Umfeld der Gesundheitsreform. Um kaum ein Gesetzesvorhaben wird mit so harten Bandagen gerungen wie um die milliardenschweren Neuregelungen für Krankenkassen, Ärzte, Pharmaindustrie und Patienten. Ärztepräsident Karsten Vilmar sorgte mit der Äußerung für einen Skandal, die rot-grüne Reform provoziere ein "sozialverträgliches Frühableben". Rund 25 000 Beschäftigte im Gesundheitswesen demonstrierten im September in Berlin. Besonders heftig umkämpft waren das geplante Globalbudget als Obergrenze für die Ausgaben und die Positivliste für Arzneimittel.

Bereits den Arbeitsentwurf ihres Ministeriums hatte die Grünen-Politikerin Fischer auf Druck von Lobbyverbänden und Koalitionspartner SPD ändern müssen. Schließlich mussten in aller Eile die letzten Korrekturen in den Text eingearbeitet werden, um diesen am Donnerstag rechtzeitig bis Mitternacht im Bundestag zu verteilen. "Außer den Überschriften und Zielvorstellungen ist nichts an diesem Gesetzentwurf unverändert geblieben", stöhnte Lohmann: "Es war chaotisch."

Dabei dürfte es auch noch eine Weile bleiben. Zwar hat das Gesetz im Bundestag die erste parlamentarische Hürde genommen, Ende November im Bundesrat aber kann die Union das Projekt stoppen. Spätestens im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat könnte die Reform dann endgültig zerrupft werden.

Benno König

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