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Politik: Sie sind sich einig: Da wird eine Chance vertan

Die Reformvorschläge stoßen auf scharfe Kritik. Den Gewerkschaften gehen Rürups Pläne zu weit, den Fachleuten nicht weit genug. Sie befürchten sogar noch steigende Beiträge

Politiker von SPD und Grünen haben die Vorschläge der Rürup-Kommission, mit denen bei den gesetzlichen Krankenkassen kurzfristig 24 Milliarden Euro gespart werden sollen, grundsätzlich begrüßt. Von Gesundheitsexperten und Ärztevertretern hagelte es allerdings Kritik.

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte, die Ergebnisse passten sich „samt und sonders“ in das Reformkonzept von Bundeskanzler Gerhard Schröder ein, müssten aber noch im Detail geprüft werden. Man werde das Ziel mittragen, die Beitragssätze um 2,4 Prozentpunkte abzusenken, sagte Grünen-Fraktionschefin Krista Sager. Allerdings müsse man über einzelne Maßnahmen noch mal reden.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Birgitt Bender, äußerte Bedenken bei dem Vorhaben, die nicht verschreibungspflichtigen Medikamente aus dem Leistungskatalog zu streichen. Damit würden pflanzliche und homöopathische Mittel gegenüber teureren chemischen Arzneien benachteiligt. Auch über die Höhe der Gebühren für den Arztbesuch müsse noch geredet werden. Die stellvertretende DGB- Chefin Ursula Engelen-Kefer, die selber in der Rürup-Kommission sitzt, bezeichnete die Auslagerung des Krankengeldes als „falsch und unnötig“. Auch die empfohlene Praxis-Gebühr lehnte sie ab.

Der Vorsitzende des Klinikärzte-Verbands Marburger Bund, Frank Ulrich Montgomery, zeigte sich enttäuscht über die Vorschläge, die „das Wort Reform nicht wert sind“. Man habe Zeit und „eine Chance vertan, wirkliche Zukunftsperspektiven zu entwickeln, wie sie Rürup vielleicht im Kopf hatte“, sagte er dem Tagesspiegel. Letztlich habe das Ergebnis gezeigt, dass es keinen Sinn habe, Kommissionen nach Proporz zu besetzen. Hätte man nur Experten zu Rate gezogen, wären die Ergebnisse „mit Sicherheit durchschlagender und verwertbarer gewesen“. Ärztekammer- Präsident Jörg-Dietrich Hoppe hingegen sprach von „durchaus vernünftigen Ansätzen“. Die Praxisgebühr dürfe allerdings nicht zu Lasten chronisch Kranker gehen.

Der frühere Vorsitzende des Sachverständigenrats für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Friedrich Wilhelm Schwartz, bedauerte die „extreme Polarisierung“ in der Kommission, die durch deren personelle Zusammensetzung aber programmiert gewesen sei. Von der Auslagerung des Krankengeldes abgesehen, seien lediglich längst bekannte Vorschläge des Sachverständigenrats auf den Tisch gekommen, sagte er dem Tagesspiegel. Fritz Beske vom Kieler Institut für Gesundheitssystem-Forschung erinnerte daran, dass er die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen über Steuern bereits vor 20 Jahren gefordert habe. Allerdings sei die Debatte darüber ein „Streit um Kaisers Bart“, der Finanzminister weigere sich bekanntlich, diese Kosten zu übernehmen. Dass sich die Beiträge mit den vorgeschlagenen Maßnahmen wie beabsichtigt schon 2004 auf unter 13 Prozent senken lassen, sei „völlig ausgeschlossen“, sagte er dem Tagesspiegel. Angesichts bislang noch nirgends berücksichtigter Krankenkassenschulden von 13 Milliarden Euro und der zu erwartenden Anerkennung der Bereitschaftsdienste von Klinikärzten als Arbeitszeit prognostizierte er vielmehr einen Durchschnittssatz von „erheblich über 15 Prozent“.

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