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Cornelia Weigand ist die neue Landrätin im Kreis Ahrweiler.

© Thomas Frey/dpa

Sieben Monate nach Flutkatastrophe: Neue Landrätin verspricht radikalen Klimaschutz im Ahrtal

Cornelia Weigand wurde zum medialen Gesicht der Flutkatastrophe im Ahrtal. Nun wurde die Parteilose mit überwältigender Mehrheit zur neuen Landrätin gewählt.

Am Morgen nach der verheerenden Flut wartete Cornelia Weigand nicht länger auf Hilfe. Im Netz hatte sie gelesen, wie die überregionale Presse über die Katastrophe im Ahrtal berichtete. Überschwemmung in Schuld und Ahrweiler.

Doch die 25 Kilometer dazwischen, die 10.000 Menschen in Dernau, Altenahr, Mayschoß oder Berg, für die sie als Verbandsbürgermeisterin zuständig war? Kein Wort von der totalen Zerstörung. "Es war, als seien wir nicht betroffen", erinnerte sich Weigand in einem Interview im Herbst.

Und so telefonierte Weigand mit einem Pressesprecher der Polizei und ließ sich Nummern von Pressevertretern geben. Die Journalisten sollten kommen. Sehen, was der kleine Fluss aus ihrer Verbandsgemeinde gemacht hatte und über das Leid berichten. "Es musste bekannt werden, wie schlimm die Flut hier gewütet hat."

Die Episode erzählt etwas über die Methode Weigand. Sie sucht die Öffentlichkeit und nutzt sie. Wenige Wochen nach der Flut schaffte sie es gar zu einem langen Gespräch in die Tagesthemen, weil sie einen offenen Brief an Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geschrieben und darin um mehr Unterstützung gebeten hatte. "Mediales Gesicht der Flutkatastrophe" nennen sie manche Lokalmedien ehrfürchtig.

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Nun ist Weigand nicht mehr nur das mediale Gesicht, sondern die Verantwortliche für den Landkreis Ahrweiler, wo in der Flutnacht mehr als 130 Menschen ihr Leben verloren. Am Sonntag wurde die 50-Jährige überraschend bereits im ersten Wahlgang mit 50,2 Prozent der Stimmen als Landrätin gewählt. Ihre drei Mitbewerber blieben chancenlos.

Die Parteilose folgt damit auf Jürgen Pföhler (CDU), gegen den die Staatsanwaltschaft Koblenz wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen ermittelt. Während sich Pföhler kurz nach der Flut krank meldete und abtauchte, hat Weigand Verantwortung übernommen.

Ihren Wahlkampf hat die Diplom-Biologin, die erst seit drei Jahren Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr war, eigenen Angaben zufolge selbst finanziert. "Praktische Unterstützung" hat sie von den Grünen erhalten. Was ihr gelungen ist, kann man durchaus als historisch bezeichnen. Erstmals steht eine Frau an der Spitze des Kreises. Der Kreis ist tief konservativ geprägt, galt als Erbhof der CDU. Der letzte Landrat ohne CDU-Parteibuch wurde Ende der 50er Jahre gewählt.

Beim Wiederaufbau sollen sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, findet Cornelia Weigand.
Beim Wiederaufbau sollen sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, findet Cornelia Weigand.

© Thomas Frey/dpa

Zwar lässt sich bundespolitisch vom Erfolg Weigands wohl nichts ableiten, doch ein Signal ist ihre Wahl trotzdem. Im Ahrtal sind die meisten Menschen nicht besonders gut auf die Politik zu sprechen. Das Krisenmanagement hat viele enttäuscht, ohne den Einsatz der vielen Freiwilligen - das sagt fast jeder im Tal - wäre man nicht durch die ersten Wochen gekommen.

Die Politik hat im Ahrtal Vertrauen verloren. Doch nun, in der größten Not, scheinen die Menschen ausgerechnet der Kandidatin mit den größten Visionen vertraut zu haben.

Bis 2030 soll der Strom im Kreis aus erneuerbaren Energien stammen

Weigand hat im Wahlkampf einen radikalen Kampf gegen den Klimawandel angekündigt. Bis 2030 soll der Strom im Kreis zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen. Solardächer, Windenergie und Nahwärmenetze sollen entstehen. Das Ahrtal soll zur Modellregion werden. Weigand schwebt ein CO2-neutrales Mobilitätskonzept vor. Der ÖPNV soll verdichtet werden, eine Ladeinfrastruktur entstehen, ein Radverkehrskonzept erarbeitet und Wasserstofftankstellen gebaut werden.

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"Nachhaltigkeit muss zum neuen Markenkern der Region gehören", sagte Weigand der Rhein-Zeitung. Beim Wiederaufbau dürfe man nicht die gleichen Fehler machen wie in der Vergangenheit. Bei einem effektiven Hochwasserschutz will sie sich an der Schweiz orientieren.

Für einen Landkreis mit 100.000 Einwohnern mag das nach immensen Herausforderungen klingen. Doch das Bewusstsein für die lokalen Auswirkungen des Klimawandels haben die Menschen im Ahrtal schmerzlich geschaffen. Weigand hat versprochen, die Region besser zu schützen. Auf Hilfe von außen will sie nicht länger warten.

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