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Politik: Siedler im Visier

Wieder reißt ein Selbstmordattentäter im Westjordanland Israelis mit in den Tod / Regierungskrise in Tel Aviv

Von Charles A. Landsmann,

Tel Aviv

Israel kommt nicht zur Ruhe. Im Gegenteil: ein neuer tödlicher Anschlag, die intensive Suche nach einer potenziellen Selbstmordattentäterin, eine anhaltende Militäraktion in der Stadt Dschenin im Westjordanland und ein Teilrückzug aus einer anderen. Und obendrein droht auch noch das Ende für die „Regierung der nationalen Einheit".

Am Sonntagmorgen sprengte sich ein 19-jähriger Palästinenser bei der Großsiedlung Ariel im Westjordanland in die Luft, nachdem er von israelischen Soldaten entdeckt und beschossen worden war. Bereits verletzt, zündete er den fünf Kilogramm schweren Sprengstoffgürtel auf seinem Leib, riss bei der Tankstelle außerhalb der Siedlung mindestens drei Reservesoldaten mit in den Tod und verletzte 18 weitere Personen. Die Al-Aksa-Brigaden von Jassir Arafats Fatah-Bewegung übernahmen die Verantwortung für den Anschlag – in Übereinstimmung mit Arafats Politik, welche nur Anschläge in Israel selbst, nicht aber in den besetzten Gebieten untersagt.

Fast am gleichen Ort, nämlich in der Lobby des an die Tankstelle angrenzenden Hotels, war es bereits einmal zu einem Terroranschlag mit Todesopfern gekommen. Unweit der Siedlung Ariel hatten in den letzten Monaten zwei Terroranschläge zahlreiche Opfer unter den Siedlern gefordert.

Auch nach dieser Tat herrscht weiterhin Hochspannung in Israel: Es gibt „heiße“ Warnungen vor weiteren Selbstmordanschlägen. Entlang der „grünen Linie“, welche das Westjordanland vom israelischen Kernland trennt, wurde am Sonntagnachmittag höchste Bereitschaft angeordnet, weil aus dem benachbarten palästinensischen Tulkarem eine Selbstmordattentäterin auf dem Weg sei. Die palästinensischen Sicherheitsorgane suchen intensiv nach einer 17-jährigen Palästinenserin aus Bethlehem, die nach ihnen von Israel übermittelten Informationen auf dem Weg zu einem Anschlag sein soll.

Die israelische Armee zog sich indes aus der Stadt Hebron im Westjordanland zurück – zumindest teilweise. Die Armee räumte ihre Positionen in fast dem gesamten palästinensischen Teil der geteilten Stadt und zog sich auf den über den jüdischen Wohngebieten gelegenen Hügel zurück.

Israels Ministerpräsident Ariel Scharon erhielt die Nachricht vom Anschlag bei Ariel während einer wichtigen Unterredung mit den Ministern der Arbeitspartei, die mit dem Verlassen der Koalition droht. Scharon nutzte die Gelegenheit zu einem dramatischen Aufruf an den größten Koalitionspartner, die Regierung nicht wegen Differenzen über das Staatsbudget zu verlassen, während der Krieg gegen den Terror noch keineswegs beendet sei.

Scharon will den Haushalt in der nächsten Woche in erster Lesung im Parlament verabschieden lassen und erst danach über Änderungen diskutieren. Doch die Arbeitspartei sieht im Budgetvorschlag eine seltene Gelegenheit, aus der Regierung auszutreten und sich im Hinblick auf die nächstjährigen Wahlen zu profilieren. Der Haushalt sieht gewaltige Streichungen in allen Bereichen – vor allem aber im Sozialwesen – vor. Die Siedlungen können aber unverändert mit Milliardenzuschüssen rechnen.

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