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Politik: Sieg gegen die Demoskopen

Schwedens Sozialdemokraten trotzen allen Umfragen: Der alte und neue Ministerpräsident heißt Göran Persson

Von André Anwar, Stockholm

„Göran, Göran, Göran!“ jubelten die mehr als 1000 Gäste im Hauptquartier der schwedischen Sozialdemokraten, als der alte und künftige Ministerpräsident Göran Persson nach den ersten Hochrechnungen am Sonntagabend die Bühne betrat. Mit einem so klaren Sieg hatte niemand gerechnet, die Erleichterung stand den Genossen ins Gesicht geschrieben. In den letzten Umfragen deutete alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der bürgerlichen Opposition hin. Persson sprach von einem „fantastischen Erfolg“, vom „Sieg des Wohlfahrtstaates“ und vom „Kollaps der Konservativen.“

Der Ministerpräsident, der 39,9 Prozent der Wähler für seine Partei gewinnen konnte, sprach sich für die Weiterführung einer von Sozialisten und Grünen tolerierten sozialdemokratischen Minderheitsregierung aus, hielt sich aber die Möglichkeit offen, mit der bürgerlich-liberalen Volkspartei, mit der ebenso eine absolute Mehrheit zu erreichen wäre, Gespräche zu führen. Man habe in Schweden traditionell gute Erfahrungen mit sozialdemokratischen Minderheitsregierungen gemacht, so Persson.

Zusammen mit den Sozialisten kommt seine Partei auf 48,2 Prozent der Stimmen. Die Grünen passierten nach monatelangem Zittern die Vierprozenthürde und schafften mit 4,5 Prozent den Wiedereinzug in den Reichstag. Der links-grüne Block erreicht mit 175 Mandaten eine komfortabel Mehrheit gegenüber den 158 Mandaten des aus vier Parteien bestehenden bürgerlichen Blocks.

Die Blockverteilung ähnelt der in den letzten Legislaturperioden. „Schwedische Wähler wechseln gerne die Parteien innerhalb ihres angestammten politischen Blocks. Sie wechseln aber selten über zum anderen Block“, sagt Daniel Tarschys, Leiter des Instituts für Staatswissenschaften an der Universität Stockholm dem Tagesspiegel. Die Sozialdemokraten hätten es geschafft, unangenehme politische Maßnahmen wie einschneidende Kürzungen im sozialen Bereich strategisch geschickt auf den Anfang der Legislaturperiode zu legen, während sie die Früchte dieser Sparmaßnahmen, den wirtschaftlichen Aufschwung und die gesunkene Arbeitslosigkeit, nun erfolgreich eingesammelt hätten.

Die größte schwedische Oppositionspartei, die Moderate Sammlungsbewegung mit ihrem inzwischen auch parteiintern für seine strategischen Fehlgriffe kritisierten Spitzenkandidaten Bo Lundgren musste mit 15,1 Prozent der Wählerstimmen ihr seit 1970 schlechtestes Ergebnis hinnehmen.

Unter den bürgerlichen Parteien geht die liberale Volkspartei, deren Parteichef Lars Leijonborg in den letzten Wahlkampfwochen mit seiner Forderung nach obligatorischen Sprachtests für Ausländer die Einwanderungspolitik zum Wahlkampfthema gemacht hatte, als klarer Sieger hervor. Seine Partei konnte mit 13,3 Prozent über acht Punkte zulegen und wird von der schwedischen Presse als theoretische Alternative für Perssons Minderheitsregierung gehandelt.

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