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Politik: Siegermacht mit 200 Soldaten

Die Polen sind stolz auf die neue Rolle Warschaus in der Welt

Von Thomas Roser, Warschau,

und Albrecht Meier

Bereitwillig hat Polen auf die Aufforderung Washingtons reagiert, die Führung in einer der Militärzonen im Irak zu übernehmen. Die Presse bewertet den noch engeren Schulterschluss mit den USA überwiegend positiv, doch es mehren sich auch Stimmen, die vor einer Entfremdung der künftigen EU-Partner warnen.

Gerade einmal 200 Soldaten hatte Warschau auf Wunsch der USA in den Irak-Krieg geschickt – und soll nun als „Siegermacht“ die militärische Führung in einer der geplanten Besatzungszonen des Landes übernehmen. Als aussichtsreichster Kandidat für den Posten des Oberbefehlshabers in der „polnischen Zone“ wird General Andrzej Tyskiewicz gehandelt. Polens ehemaliger Botschafter in den USA, Jerzy Kominski, soll das Land im Büro zum Wiederaufbau des Irak repräsentieren.

Noch ist unklar, ob der kurdische Norden oder die Region zwischen dem britisch besetzten Basra und dem zur US-Zone erklärten Bagdad zum polnischen Sektor werden wird. Auf 1500 bis 3000 Soldaten sollen die polnischen Truppen im Irak verstärkt – und die Kosten dafür weitgehend von den USA übernommen werden. Mit einem außerplanmäßigen Besuch Ende Mai in Krakau will sich US-Präsident Bush für die Nibelungentreue der polnischen Waffenbrüder im Irak-Konflikt bedanken. Eher positiv hat Polens Presse zu Wochenbeginn auf den engen Schulterschluss Warschaus mit der populären Führungsmacht reagiert. Als „strategische Investition“, die sich mit einer wichtigeren Rolle in den transatlantischen Beziehungen, in der Nato und der EU „sehr bezahlt“ machen könne, bewertet die bürgerliche „Rzeczpospolita“ die Verstärkung des polnischen Engagements im Irak. „Die Deutschen beneiden uns,“ bügelte das Boulevardblatt „Superexpress“ die Kritik aus dem Nachbarland ab, dass Polen sich allmählich zum „trojanischen Esel“ der USA in Europa mache.

Unterdessen wird in Berlin und in der EU-Hauptstadt Brüssel die Frage, ob denn die gewachsene Rolle Polens im Irak auch zu einer neuen Spaltung in der EU führen könnte, demonstrativ heruntergespielt. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sagte am Wochenende beim informellen Treffen der EU-Außenminister auf der griechischen Insel Rhodos, Deutschland sei in die Pläne der USA für die Stabilisierungstruppe im Irak eingeweiht gewesen. Es sei kein Geheimnis gewesen, so der Außenminister weiter, dass sich eine 16-Staaten-Konferenz am vergangenen Mittwoch in London mit dem Thema befasst hatte. Zu der Konferenz waren die Kriegsgegner Deutschland, Frankreich und Russland nicht eingeladen.

Bei der regelmäßigen Presseunterrichtung der Brüsseler EU-Kommission wurde das Engagement des künftigen Mitglieds Polen im Irak am Montag mit keiner Silbe erwähnt. Deutlicher wurde da schon die französische Zeitung „Le Monde“ in ihrem Kommentar in der Montagsausgabe. Das Blatt bewertete das Vorgehen Washingtons im Nachkriegs-Irak so: „Man verzichtet auf die UN. Man umgeht die Nato. Man handelt nur nach den kurzfristigen Interessen.“

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