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Politik: Siegesfeiern verboten

Der Erfolg Ahmadinedschads spaltet die Gesellschaft – Reformer fürchten um die Zukunft des Landes

„Gott sei Dank, das war ein großer Sieg“, seufzt ein Bauarbeiter im Süden Teherans erleichtert, nachdem das Ergebnis der ersten Stichwahl der „Islamischen Republik“ Samstag früh bekannt geworden war. Die Unterprivilegierten, die „Mostazafin“, in deren Dienst Ayatollah Chomeini vor 26 Jahren seine Revolution gegen den Schah gestellt hatte, haben die mächtigen Reichen und Korrupten, symbolisiert durch den unterlegenen Ex-Präsidenten Ali Akbar Rafsandschani, niedergestimmt.

Mahmud Ahmadinedschad, einer der ihren, so meinen viele in den Elendsvierteln Teherans, wird nun die Zügel der Politik straff ziehen. „Es war wie ein Tsunami“, triumphiert ein Berater Ahmadinedschads. „Bei dieser Wahl stand das Volk auf einer Seite und die politischen Parteien mit Rafsandschani auf der anderen.“ Die zweite Runde der Präsidentschaftswahl vom Freitag hat sich zu einem deutlichen Kampf zwischen Irans wohlhabender, sich nach Modernisierung und Öffnung zum Westen sehnender Mittelschicht und den Habenichtsen entpuppt.

Ahmadinedschad will Irans Ölreichtum, der an der Masse der Armen spurlos vorübergeht, gerecht verteilen, die Mindestlöhne heben. Er verficht nach Chomeinis Grundsätzen einen isolationistischen Kurs und will sich gar nicht um Forderungen und Interessen der Iran umzingelnden Supermacht kümmern. Das iranische Volk habe mit dieser Wahl den USA „eine schwere Demütigung“ zugefügt, reagierte der Oberste religiöse Führer Ali Chamenei, der nach Einschätzung unabhängiger politischer Kreise in Teheran selbst größtes Interesse hatte, seinen größten Rivalen um die Macht im „Gottesstaat“, Rafsandschani, auszuschalten. Ahmadinedschad dürfte Chameneis Wunschkandidat gewesen sein, deshalb ließ er auch seinen Sohn, neben einflussreichen radikalen Geistlichen, offen für den weithin Unbekannten werben.

Doch Siegesfeiern verbot Chamenei am Samstag, aus Sorge wohl, einen großen Teil der bitter enttäuschten Bevölkerung noch mehr zu vergrämen. Schon vor Auszählung der Stimmen hatten Anhänger Rafsandschanis betont, dass ein Sieg des politischen Neulings Ahmadinedschad ein klarer Beleg für Wahlfälschung wäre. Anhänger der schwer unterlegenen Reformbewegung berichten über massive Einflussnahmen. In Wahllokalen in der Provinz seien am Freitag Menschengruppen aufgetaucht, die nichts mit Wahladministration oder Überwachung zu tun gehabt hätten, berichtete ein Sprecher des von den Reformern dominierten Innenministeriums. In Reformkreisen ist man davon überzeugt, dass die direkt Chamenei unterstehenden Revolutionsgarden sowie die paramilitärischen, radikal-islamistischen „Bassidsch“ durch Einschüchterung und Manipulation den Sieg ihres Gesinnungsgenossen ermöglicht haben.

Einige Kommentatoren sprachen am Samstag die Sorge aus, dass Ahmadinedschads Sieg eine vom Militär dominierte Regierung hervorbringen werde, da der neue Präsident ehemalige Kollegen der Revolutionsgarden in einflussreiche Positionen setzen werde. Das wäre nach den Worten eines Teheraner Politologen „der erste Schritt zu größerer militärischer Kontrolle über den Staat, nach dem Vorbild des türkischen oder pakistanischen Systems, in dem die Streitkräfte die zivilen Institutionen überwachen und damit die Stabilität des Staates kontrollieren“. „Die Zukunft des Irans“, so fürchtet ein reformorientierter Intellektueller, „sieht sehr kompliziert aus“.

Birgit Cerha[Teheran]

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