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Politik: Signal nach Paris

Der Bundesrat stimmt demonstrativ der EU-Verfassung zu – nur Mecklenburg-Vorpommern enthält sich

Berlin - Der Gast begann auf Deutsch: „Sie können sich nur schwer vorstellen, wie bewegend es für mich ist, als Franzose meiner Generation hier heute vor dem Bundesrat sprechen zu können.“ Valérie Giscard d’Estaing, Frankreichs früherer Präsident, durfte in der Länderkammer reden. Das tun Ausländer dort höchstselten. Eine historische Stunde also, die Abstimmung über die europäische Verfassung, bei der sich nur Mecklenburg-Vorpommern enthielt. Alle anderen Länder stimmten dafür, die Mehrheit war damit noch klarer als im Bundestag vor zwei Wochen, wo es einige Gegenstimmen gegeben hatte.

Mehrere französische Kamerateams fingen Giscards Rede ein, die der 79-Jährige zum größeren Teil in seiner Muttersprache hielt. Denn zwangsläufig redete der Architekt der EU-Verfassung – Giscard leitete den Verfassungskonvent – nicht nur zu den deutschen Landespolitikern, sondern auch in Richtung Heimat: Am Sonntag geht es beim Referendum zur EU-Verfassung in Frankreich darum, ob auch das andere Kernland der Gemeinschaft das neue Regelwerk der europäischen Politik ratifizieren kann. Er hoffe von ganzem Herzen, dass seine Landsleute zustimmten. Auf der Tribüne klatschten Altkanzler Helmut Schmidt und Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher als Ehrengäste Beifall.

Doch in den Gängen des Bundesrats war man skeptisch, ob am Sonntagabend ein Ja aus Frankreich berichtet würde. Außenminister Joschka Fischer hoffte dennoch, das Ja aus Deutschland werde im Nachbarland als Signal wahrgenommen. Wenn die Franzosen ablehnten, werde es auf ein schwächeres Europa hinauslaufen, sagte er, und fand ausnahmsweise sogar eine Art Lob für Edmund Stoiber. Der bayerische Ministerpräsident habe sein Ja für die EU-Verfassung klar begründet, „und das ist gut so“.

Der gemäßigte Euroskeptiker Stoiber hatte kaum Kritisches zur EU-Verfassung anzumerken. Wohl auch, weil sie ja gar keine richtige Verfassung sei, wie der CSU-Chef betonte. Es sei keine Verfassung für einen neuen Staat Europa. Wenn sie das wäre, bekäme sie nämlich in ganz Europa keine Mehrheit. Stoiber warnte davor, die EU zu überfordern – etwa bei der Erweiterung – oder zu vieles europäisch regeln zu wollen. „Die EU ist in ihrer Substanz bedroht, wenn die Zustimmung der Bürger weiter abnimmt“, sagte er. Unter den deutschen Landespolitikern hob Giscard einen hervor, der gar nicht da war: Erwin Teufel. Der hatte für die Länder im Verfassungskonvent gesessen. Nun ist er Politikrentner. Eigentlich hätte er dennoch reden sollen an diesem Freitag, aber er sei auf einer Auslandsreise, hieß es. Sein Nachfolger Günther Oettinger hielt dafür seine Antrittsrede im Bundesrat, detail- und wortreich und im Tenor so europäisch wie Teufel.

Einer sagte dagegen nur ein Wort. „Enthaltung“ knurrte Harald Ringstorff, als Mecklenburg-Vorpommern zur Abstimmung aufgerufen war. Und blickte versteinert auf den vor ihm sitzenden Giscard, der sich kurz verwundert umdrehte. Ringstorff, der sich in den vergangenen Jahren im Bundesrat einige Male über Wünsche des Koalitionspartners PDS hinweggesetzt hatte, hielt am Freitag die Koalitionsdisziplin für wichtiger – und störte damit ein wenig die Feststimmung. Zumal die Berliner rot-rote Koalition einen Weg gefunden hatte, ein Ja zu ermöglichen. Joschka Fischer fand das empörend. Wie hier mit dem Koalitionsdruck gearbeitet worden sei, „zeigt eine Geisteshaltung, die mit links nichts zu tun hat“. Im Gegensatz zur Darstellung der PDS bringe die EU-Verfassung ein „Mehr an sozialer Gerechtigkeit“, so der Außenminister. Unter seinen Kollegen fand Ringstorff kein Verständnis. „Wenn Klaus Wowereit mit der PDS fertig wird, dann sollte man das auch von Harald Ringstorff erwarten“, meinte der sächsische CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt spitz.

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