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Sieht seine Grundrechte verletzt. Silvio Berlusconi unterschrieb Ende August ein Referendum für eine Justizreform des lange von ihm regierten Landes. Foto: Reuters

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Silvio Berlusconi will im Parlament bleiben: Ein Spiel auf Zeit

Mit allen Mittel versucht Italiens Ex-Premier Berlusconi trotz Verurteilung im Parlament zu bleiben. Aber nicht nur er spielt auf Zeit. Seine Gegner verschieben die Abstimmung über ihn um einen Tag.

„Silvio Berlusconi gegen Italien.“ So steht es auf der Klage, die der frühere italienische Premierminister beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht hat. Mit ihr will er sein eigenes, von ihm selbst über fast zehn Jahre hinweg regiertes Land bestraft sehen. Der 33-seitige, am Wochenende vorgelegte Rekurs war einer der Versuche Berlusconis, sein Parlamentsmandat zu behalten. Und er kam in letzter Minute.

Denn just an diesem Montag wollte der Immunitätsausschuss des Senats zusammentreten, um zu vollstrecken, was das Gesetz vorsieht: dass jemand, der rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt ist, nicht mehr in der Volksvertretung sitzen darf. Berlusconi ist als Steuerbetrüger zu vier Jahren Haft verurteilt, muss wegen seines fortgeschrittenen Alters aber nicht ins Gefängnis.

Während sich in den vergangenen Woche alles auf den „D-Day des 9. 9.“ zugespitzt hatte, hatten sich schon kurz vor der entscheidenden Sitzung die dämpfenden Signale gemehrt. Die Abstimmung wurde um einen Tag verschoben. Zwar blieben die Abgeordneten des sozialdemokratischen „Partito Democratico“, also des früheren Hauptgegners und nun Koalitionspartners der Berlusconi-Partei, bei ihrer Ansage, sie würden dem Gesetz Geltung verschaffen und für den Ausschluss Berlusconis stimmen. Ein Nachgeben, hieß es, würde die eigene Partei zerreißen. Gleichzeitig aber griff bei den Sozialdemokraten eine Art Staatsräson um sich.

Angesichts der Drohung von Berlusconis Leuten, bei einer Abwahl aus dem Senat werde man Koalition und Regierung aufkündigen, wuchs die Bereitschaft, auf Zeit zu spielen. Es spreche nichts dagegen, sagte Luciano Violante, einer der führenden Juristen im „Partito Democratico“, das fragliche Gesetz zuerst beim Verfassungsgericht prüfen zu lassen. Berlusconis Partei selbst hatte zuvor behauptet, das erst im Dezember und mit den eigenen Stimmen beschlossene Gesetz sei schlicht verfassungswidrig.

Und warum, soufflierte Gaetano Pecorella, ein früherer, im Zwist geschiedener Verteidiger Berlusconis, sollten die Sozialdemokraten mit einer „politischen Entscheidung“ Kopf und Kragen für das Land riskieren, wenn dasselbe genauso gut die Gerichtsbarkeit erledigen könne? In der Tat bereitet sich das Mailänder Appellationsgericht auf einer juristisch anderen Schiene in diesen Wochen darauf vor, dem verurteilten Steuerbetrüger Berlusconi das Ausüben öffentlicher Ämter für eine Reihe von Jahren zu untersagen. Italiens oberstes Gericht hatte, im Einklang mit den Vorinstanzen, diese Maßnahme in seinem Urteil vom 1. August ausdrücklich gebilligt, allerdings hielten die Höchstrichter das ursprünglich verhängte fünfjährige Ämterverbot für zu lang.

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