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Simbabwe: Stürzt Mugabe über die Inflation?

Der amerikanische Botschafter in Simbabwe sagt: Bisher hat noch kein Regime solche Raten überlebt.

Die Menschen in Simbabwe sind Krisen gewöhnt. Sie haben zum Beispiel gelernt, mit einer Inflationsrate zu leben, die offiziell bei 4500 Prozent im Jahr liegt, inoffiziell aber mehr doppelt so hoch ist. Bis zu viermal am Tag werden die Preisschilder in den Supermärkten ausgetauscht. „Ich ziehe durch die Läden, um zu sehen, welche Sachen noch nicht raufgesetzt worden sind“, erzählt Charles, ein junger Mann mit Rastalocken, der bislang als Vorarbeiter in einer Fabrik arbeitete. Gerade hat er Haargel für 30 000 Simbabwe-Dollar (S-$) entdeckt, das anderswo bereits 130 000 S-$ kostet. Die sechs von ihm gekauften Tuben verhökert er im Schwarzhandel für das Dreifache.

Lange fand der ökonomische Niedergang im Zeitlupentempo statt. Doch nun scheint Simbabwes Wirtschaft endgültig zu kollabieren. „Auf dem Land gibt es keine Lebensmittel mehr, und bald wird es auch keine in den Städten geben, wenn die aktuelle Politik der Preispolizei anhält“, warnte Pius Ncube, der Erzbischof von Bulawayo. Um der galoppierenden Inflation Herr zu werden, hatte Simbabwes Staatschef Robert Mugabe angeordnet, dass die Inhaber von Geschäften und Tankstellen ihre Preise um mehr als die Hälfte und damit oft weit unter den Einkaufspreis reduzieren müssen. Vor zwei Wochen ließ das Regime dann fast 2000 Geschäftsleute festnehmen, die der Anordnung nicht gefolgt waren – darunter auch Topmanager aus Südafrika. Die meisten kamen nach Zahlung einer Geldstrafe wieder frei. „Der Einzelhandel kann es sich nicht leisten, die zuvor teuer erworbenen Waren mit Verlust zu verkaufen“, sagt ein simbabwischer Ökonom, der anonym bleiben will. Das Regime könne den Händlern nur helfen, wenn es alle Hersteller und Importeure zu ähnlichen Preisnachlässen zwinge. „Doch wenn das passiert, wird es nur noch kurze Zeit dauern, bis sämtliche Fabriken schließen und die gesamte Produktion zum Erliegen kommt.“ In den vergangenen zwei Wochen ist der Wechselkurs für einen US-Dollar auf dem Schwarzmarkt von 80 000 über 150 000 auf nun fast 400 000 Simbabwe-Dollar hochgeschnellt. Offiziell liegt er noch immer bei eins zu 250. Vieles deutet darauf hin, dass nicht die Opposition, sondern die wirtschaftliche Realität die 27-jährige Alleinherrschaft des Unrechtsregimes beenden wird. „Das Gesetz der Wirtschaft ist das Einzige, was Mugabe nicht einseitig brechen kann“, sagt Christopher Dell, der amerikanische Botschafter in Simbabwe. Er ist überzeugt, dass die Inflation bis zum Jahresende auf mehr als eine Million Prozent klettern wird. „Bislang hat noch kein Regime solche Inflationsraten überlebt“, sagt Dell. „Nie war echter Wandel in Simbabwe so nah wie jetzt.“

Die Zentralbank in Harare druckt unaufhörlich frisches Geld, um Benzin- und Stromeinfuhren zu bezahlen. An den Kreditmärkten kann das Land schon lange kein Geld mehr aufnehmen. Seit Jahren finanziert Simbabwe das Haushaltsdefizit durch das Drucken von Geld. Doch die Pressen kommen nicht mehr nach, auch wenn immer mal wieder drei Nullen hinten weggestrichen werden. „Es ist so, als hätte man den Stöpsel aus einer Badewanne gezogen“, sagt Dell. „Zunächst fließt das Wasser langsam ab. Doch je näher es an den Ausguss kommt, desto schneller wird es.“ Er glaubt, dass Simbabwe sich im letzten Strudel befindet.

Neben den Preiskontrollen hat Mugabe ausländischen Firmen mit der Verstaatlichung gedroht – und dabei die illegale Übernahme der weißen Farmen durch politische Unterstützer Mugabes zum Modell erhoben. Dabei war genau dieser Landraub der Anfang vom Ende und ist inzwischen selbst von einzelnen Ministern als „chaotisch“ beschrieben worden. Inzwischen gibt es ein Gesetz, wonach Fusionen, Übernahmen und andere Umstrukturierungen nur noch genehmigt werden, wenn mindestens 51 Prozent der Anteile in die Hände schwarzer Simbabwer kommen. Doch dass ausgerechnet der Staat die Unternehmen effizienter managt als deren Besitzer, gilt gemeinhin als vollkommen ausgeschlossen.

Symptomatisch für Mugabes Verweigerungshaltung ist auch, dass die Abgesandten seines Regimes bei den von Südafrika geleiteten Verhandlungen mit der simbabwischen Opposition vor zwei Wochen gar nicht erst in Pretoria erschienen – trotz der akuten Notlage. Und über eine neue Verfassung, die zu den Minimalforderungen der Opposition zählt, will Mugabe schon gar nicht verhandeln, weil sie ihm die Manipulation der Wahl im kommenden Jahr erschweren würde. Beobachter sehen im Fernbleiben von Unterhändlern des Regimes nur ein weiteres Indiz dafür, dass Mugabe nicht zu einer Aufgabe seiner selbstzerstörerischen Politik bereit ist. Allerdings ist die Lage im früheren Rhodesien nach dem fast völligen Zusammenbruch der Lebensmittel- und Benzinversorgung so prekär wie noch nie. Roy Bennet, ein führendes Mitglied der oppositionellen MDC, glaubt, dass das so oft prophezeite Ende Mugabes nur noch eine Frage der Zeit sei. „Die wirtschaftliche Lage ist zuletzt derart eskaliert, dass eine überraschende Wende nun jederzeit möglich ist“, ist Bennett überzeugt.

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