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Politik: Simonis: Hinterhältiger Dolchstoß

Kiels Ministerpräsidentin gibt auf / Bundes-SPD fordert rasche Regierungsbildung in Schleswig-Holstein

Berlin/Kiel Nach dem Fiasko für Heide Simonis in Kiel versucht die SPD den Schaden für die Wahl in Nordrhein- Westfalen zu begrenzen. SPD-Chef Franz Müntefering und der nordrhein- westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) drängten am Freitag auf eine rasche Lösung der Krise in Schleswig-Holstein.

Ministerpräsidentin Heide Simonis kündigte einen Tag nach ihrer Niederlage im Landtag den Rückzug aus der Politik an. Sie macht damit den Weg frei für eine große Koalition mit CDU-Kandidat Peter Harry Carstensen an der Spitze. Als Vorbild für den Bund will aber weder die SPD- noch die Unionsspitze ein solches Bündnis verstanden wissen. Schon Mitte kommender Woche wolle die SPD neue Sondierungsgespräche mit der CDU aufnehmen, kündigte Landesparteichef Claus Möller am Freitagabend nach der Sitzung von Landesvorstand und Parteirat an. Die Parteigremien beauftragten Möller und Fraktionschef Lothar Hay aber auch, mit allen anderen Parteien im Landtag Sondierungsgespräche zu führen.

Simonis zeigte sich bitter enttäuscht über den Unbekannten, der ihr am Tag zuvor in allen vier Wahlgängen die Stimme verweigert hatte. „Ich habe eine solche persönlich verletzende Situation noch nie erlebt“, sagte sie. In der Politik müsse man manchmal gegen offene Messer kämpfen, gegen einen „hinterhältigen Dolchstoß“ gebe es keine Abwehr. Noch schwerer wiege der Schaden, den das „Grundvertrauen in die Werte der Sozialdemokratie“ erleide. Kanzler Gerhard Schröder sagte vor der SPD-Fraktion in Berlin, Simonis sei „das Messer in den Rücken gerammt“ worden. Partei- und Fraktionschef Müntefering sprach von „Verrat“ und einem „Debakel“. Generalsekretär Klaus Uwe Benneter zeigte sich besorgt über negative Folgen für die NRW-Wahl am 22. Mai. „Rückenwind war es jedenfalls nicht“, sagte er.

Schröder rief die Partei zum Zusammenrücken auf. Die SPD sei immer stark, wenn der Gegner sie am Boden sehe. „Wir werden das auch dieses Mal schaffen“, sagte er vor der Fraktion. NRW-Regierungschef Steinbrück betonte sein Interesse daran, dass die Regierungskrise in Kiel rasch gelöst wird. Auch Müntefering drängte, „nicht zuzuwarten, sondern schnell zu handeln“. Da der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) seine Bereitschaft zur Duldung einer rot- grünen Minderheitsregierung für erledigt erklärte, bleibt außer den von allen abgelehnten Neuwahlen nur eine große Koalition.

In SPD- wie in CDU-Führungskreisen in Berlin wurden Spekulationen über eine Vorbildfunktion für den Bund jedoch als realitätsfern bezeichnet. Im aktuellen Politbarometer stieg zwar die Zahl der Befürworter einer großen Koalition an , allerdings nur auf 24 Prozent. Ohnehin bezweifeln 85 Prozent der Befragten, dass das Arbeitslosenproblem in den nächsten Jahren zu lösen ist.

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