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Sinkende Umfragewerte: Warum die Piratenpartei keinen Erfolg haben kann

Die Piraten stecken ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl im Umfragetief. Welche Probleme muss die Partei bis 2013 lösen?

Sie wollen weder links noch rechts sein. Weil sich die Piraten bisher so schlecht verorten ließen, hat sich jetzt der politische Gegner an einer Einordnung versucht. Die Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht, hat am Donnerstag eine Analyse der Internetkommunikation der Piraten vorgestellt. Nach Auswertung von mehr als 260 000 Seiten aus Parteiprogrammen, Diskussionsforen und dem Abstimmungsportal Liquid Feedback folgert die Studie, dass die Piraten „auf dem Weg zu einer linksliberalen Partei“ seien. Besonders wichtig sei den Piraten außerdem ihre basisdemokratische Organisation. Die Autoren der Studie empfehlen den Grünen einen „konstruktiven Dialog“ mit der jungen Partei.

Im Grundsatz der Piratenpartei, dass jeder mitbestimmen darf, liegt für andere Parteienforscher allerdings auch eine wesentliche Erklärung für ihren Absturz in den Umfragen. Noch im April dieses Jahres waren die Piraten in den Umfragen an den Grünen vorbeigezogen, sie erreichten bis zu 13 Prozent. Nur SPD und CDU wollten mehr Menschen wählen. Ein halbes Jahr später aber liegen die Piraten bei einigen Umfrageinstituten bereits unter der Fünfprozenthürde und müssen im Hinblick auf die Bundestagswahl 2013 um den Einzug ins Parlament bangen.

„Wegen der ständigen Abstimmung zwischen Basis und Führung ist die Piratenpartei einer permanenten internen Debatte ausgesetzt“, sagt der Mannheimer Politikwissenschaftler Marc Debus. „Sie ist nur noch mit sich selbst beschäftigt, statt klare politische Positionen zu formulieren.“ Die Wähler aber erwarteten klare Positionen.

Die parteiinterne Basisdemokratie bei den Piraten läuft maßgeblich über das Internetportal Liquid Feedback. Jeder Pirat kann dort Vorschläge zu den Positionen der Partei machen. Die Parteispitze hat immer wieder betont, sich an die Abstimmungsergebnisse halten zu wollen. Der Vorstand sei nur ein Verwaltungsorgan, das die Meinung der Basis vertrete, so steht es auch in der Piratensatzung. Dies mache die Partei handlungsunfähig, kritisiert Politikwissenschaftler Debus.

Ein Beleg für seine These: Die Debatte um die Nebeneinkünfte des frisch gekürten SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück Anfang Oktober. Während sich die etablierten Parteien sofort empörten, blieben die Piraten still – abgesehen von wenigen Pressemitteilungen und einem Vorschlag auf der Internetplattform Liquid Feedback, über den nie abgestimmt wurde. Erst mit einer Woche Verspätung veröffentlichten einige Mitglieder einen Verhaltenskodex zur Veröffentlichung aller Nebeneinkünfte.

Für Parteienforscher Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin ist das zu wenig. „Transparenz ist schließlich ein Kernthema der Piraten. Sie haben viele Wähler mit ihrem Schweigen enttäuscht.“ Ähnlich verhalte es sich mit der Euro-Krise, zu der die Piraten bisher eine Position verweigert haben. „Die Wähler suchen nach Orientierung, aber die Piratenpartei gibt sie ihnen nicht.“

Der Vorstand ist physisch und psychisch überlastet

Auch aus anderen Gründen hält Niedermayer eine Änderung der Parteisatzung für notwendig. Weil der Vorstand ehrenamtlich arbeite, sei er psychisch und physisch überlastet.

Schon im Sommer hatte der frühere Schatzmeister René Brosig professionellere Strukturen und Gehälter für den Vorstand gefordert. Wegen Überlastung war Brosig Ende April aus seinem Amt ausgeschieden. Auch die frühere Geschäftsführerin Marina Weisband sowie die ehemaligen Berliner Landeschefs Gerhard Anger und Hartmut Semken hatten ihre Posten aufgegeben. Der Mannheimer Politikwissenschaftler Marc Debus schlussfolgert: „Jede Partei braucht eine Führungselite, um erfolgreich sein zu können.“

An diesem Punkt allerdings sitzen die Piraten in die Zwickmühle. Denn eine Professionalisierung der Partei ist kaum mit ihren Werten vereinbar. Seit ihrer Gründung 2006 verkünden die Piraten, dass durch die Digitalisierung der Gesellschaft vor allem zwei Dinge möglich sind: mehr demokratische Teilhabe und mehr Transparenz im politischen Betrieb. „Mit diesen Werten sind die Piraten anders als alle anderen Parteien, das ist ihre große Stärke“, sagt der Mainzer Politologe Thorsten Faas. Zur Lösung des Dilemmas empfiehlt sein Duisburger Kollege Claus Leggewie den Piraten einen öffentlichen Grundsatzstreit ähnlich wie bei den Grünen in den 80er Jahren. Die Partei müsse klären, wie sich ihre Ideale der Partizipation und Transparenz mit professioneller Politik vereinbaren ließen. „Die Grünen mussten sich schließlich auch an den parlamentarischen Betrieb anpassen. Ihre Ideale haben sie dabei aufgeweicht, aber nicht aufgegeben.“

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