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Die Demonstranten machten sich zum Machtzentrum der Regierung auf. Gewaltfrei ist der Protest nicht mehr.

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Update

Situation in Bangkok eskaliert: Mehrere Tote bei Massendemonstrationen in Thailand

Eine Woche ist der laute Protest gegen Thailands Regierung friedlich geblieben. Dann entfesselt der Frust über mangelnden Erfolg Gewalt. Die Ministerpräsidentin hat sich vor den aufgebrachten Demonstranten in Sicherheit gebracht, vier Menschen starben bereits.

Wie im Bürgerkrieg sieht es am Sonntag an den Brennpunkten der Massendemonstrationen in Thailands Hauptstadt Bangkok aus: umgeworfene Autos mit zerstochenen Reifen und eingeschlagenen Scheiben, Polizisten in Kampfmontur hinter meterhohen Betonbarrieren, Nebelschwaden in der Luft. Vermummte Demonstranten heben Tränengaspatronen auf und schleudern sie zurück auf die Sicherheitskräfte. Auf beiden Seiten gehen Menschen zu Boden. Sie klagen über Atemnot und brennende Augen. Vier Menschen sind bei den Krawallen mittlerweile ums Leben gekommen.

Eine Woche haben die Demonstranten friedlich versucht, die Regierung zu stürzen. Eine Woche bei 30 Grad marschieren, eine Woche an Behördenzäunen rütteln, eine Woche martialischer Reden vom baldigen Sieg - am Sonntag hatten sie die Nase voll davon. Deshalb kanalisierten die Protestanführer den Frust geschickt in einen Alles-oder-Nichts-Marsch auf die ultimative Machtzentrale: den Sitz der Regierungschefin. Die Konfrontation war programmiert. Die Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra wurde in Sicherheit gebracht worden, meldet die Nachrichtenagentur reuters. Eine bewusste Provokation, damit die Armee dem Treiben ein Ende setzt? „Wir wissen, dass die Protestanführer es darauf anlegen, die Sicherheitskräfte zur Gewalt zu provozieren, um davon zu profitieren“, sagt der stellvertretende Regierungschef Phongthep Theokanjana.

Der einst dröge, aber jetzt zum obersten Straßenkämpfer mutierte Vizeregierungschef Suthep Thaugsuban (64) hat den Demonstranten eine Woche lang vergeblich den Sieg versprochen. Behörden besetzen, Regierung lahmlegen und der Staatsapparat knickt ein, war sein Kalkül. Aber die Polizei ließ die Menschen gewähren, griff kaum ein. Das Kalkül der Regierung: warten, bis ihnen die Puste ausgeht.

Daraufhin heizte Suthep die Stimmung an: „Wenn wir nicht siegen, bin ich bereit auf dem Schlachtfeld zu sterben“ - obwohl bis dahin von „Kampf“ und „Schlacht“ noch nirgendwo die Rede war. Vielmehr reichten Demonstranten Polizisten Rosen durch den Stacheldraht. Und Polizisten ließen sich bereitwillig mit Demonstranten fotografieren.

„Wir lassen uns lieber als schwache Regierung verdammen, als dass wir Gewalt gegen die Demonstranten einsetzen“, sagte Regierungschefin Yingluck Shinawatra. Die Wunden der Massenproteste von 2010 sind noch nicht verheilt. Damals regierte die Gegenseite, mit Suthep in der Führungsriege, und Tausende wollten die Regierung stürzen. Er ordnete hartes Durchgreifen an. 92 Menschen kamen um. Er ist wie sein damaliger Chef Abhisit Vejjajiva deshalb wegen Mordes angeklagt.

Die Demonstranten treibt die Wut auf die selbstgefällige Regierung von Yingluck Shinawatra an, die von ihrem gestürzten und zu einer Haftstrafe verurteilten Bruder Thaksin aus dem Exil gegängelt wird. Suthep hat ihnen das Ende des „Thaksin-Regimes“ versprochen. Dabei hat er sich damit selbst in eine Ecke geboxt. Der Rücktritt der Regierung reiche ihm nicht, sagt er. Was dann? Er will das Regierungssystem umkrempeln. Ein obskures Volkskomitee soll übernehmen, mit 37 Männern, und ihm selbst an der Spitze. Das soll eine neue politische Kultur schaffen, heißt es schwammig, ohne Stimmenkauf bei Wahlen, ohne Politiker, die die Politik als Selbstbedienungsladen zur Bereicherung verstehen. „Ich verstehe dieses Konzept der Volksregierung nicht so ganz“, meint nicht nur der Vizechef der Oppositionspartei, Korn Chatikajanij.

Wie will Suthep die Demonstrantenrevolte zu Ende bringen? Wenn die Proteste ausarten, wenn sich mehr Gewalt entlädt, wenn den Sicherheitskräften die Kontrolle entgleitet, könnte die Armee ihm diese Aufgabe mit einem Putsch abnehmen. (dpa/reuters)

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