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Politik: Sitzt die Rüstungslobby mit am Tisch?

Ein Blick in den Verteidigungsausschuss des Bundestages

Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung und Forschung, Ulrike Flach, hat von ihrem alten Arbeitgeber Siemens weiter ein Gehalt bezogen – für Übersetzungen, sagt die Abgeordnete, die Übersetzerin ist. Aber der Ausschuss entscheidet über Vergabe von Forschungsmitteln – ein Thema, an dem Siemens hochinteressiert ist. Frau Flach steht also in einem massiven Interessenkonflikt, ob sie selbst das nun so sieht oder nicht.

Gibt es ähnliche denkbare Kollisionen zwischen Mandat und Bindung an frühere Arbeit oder jetzige Auftraggeber im Verteidigungsausschuss? In keinem anderen Bundestagsgremium wäre es für die Rüstungsindustrie so nahe liegend, etwa über lukrative Beratungsmandate oder berufliche Verbindungen Einfluss auf Abgeordnetenentscheidungen zu nehmen. Schließlich überprüfen die 30 Ausschussmitglieder den Etatentwurf des Verteidigungsministers.

Überraschend ist, dass die wenigsten von ihnen das Militär aus eigenem Erleben kennen. Von den 20 Männern haben neun ihren Wehrdienst abgeleistet, vier davon aus der Union, drei von der SPD und je einer von Grünen und FDP. Bei drei CDU-Abgeordneten lässt die offizielle Vita die Wehrdienstfrage offen. Einer, Ulrich Adam, kann seine Erfahrungen als Reserveoffizier der NVA beisteuern. Selbstverständlich sind aber auch Zivildiensterfahrungen nützlich, darüber verfügt der Ausschussvorsitzende, der Sozialdemokrat Reinhold Robbe. Acht der zehn Frauen haben erwachsene Kinder und kennen durch sie das Thema Bundeswehr.

Der Verteidigungsausschuss hat also kein militärisches Profil. Nur vier seiner Mitglieder sind Reserveoffiziere. Einer davon, Helmut Rauber aus dem Saarland, ist Präsident des Deutschen Reservistenverbandes. Sieht man von Jürgen Hermann aus Höxter ab, der in einem Führungs- und Lagezentrum der Polizei tätig war, kommt keiner aus einem im weitesten Sinne mit Verteidigungsfragen befassten Beruf. Natürlich sind viele Mitglied in Organisationen, in denen sich Interessen aus diesem Sektor bündeln, etwa in den Parlamentarischen Versammlungen der Nato oder des Europarates und der Deutschen Atlantischen Gesellschaft. Zwei nennen eine Mitgliedschaft im „Förderkreis Deutsches Heer“. Diese Interessengemeinschaft, die von über 200 Firmen aus dem Rüstungsbereich gesponsert wird, will „Gewicht und Einfluss des deutschen Heeres im demokratischen Kräftespiel stärken“. Da die Organisation offenbar unverdächtig ist, kann man hoffen, dass ihre Führung sich diesen Satz vielleicht noch einmal durchliest. Die beiden Sozialdemokraten, die dort Mitglied sind, Ulrike Merten und Verena Wohlleben, haben es vermutlich nicht getan.

Darüber hinaus irgendwelche Anzeichen für Rüstungslobby? Fehlanzeige. Wenn keiner der 30 Abgeordneten in der Rubrik „Veröffentlichungspflichtige Angaben“ gemogelt hat, ist der Verteidigungsausschuss geradezu ein Muster an Transparenz.

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