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Verunreinigte Medikamente. Der Valsartan-Skandal betrifft Hunderttausende von Blutdruck-Patienten.

© Bernd Weissbrod/dpa

Skandal um Blutdrucksenker: SPD fordert deutlich schärfere Arzneikontrolle

Im Skandal um verunreinigte Blutdrucksenker ruft die SPD nach schärferen Kontrollen. Doch die, gibt ihr Experte Lauterbach zu bedenken, wären enorm aufwändig.

Nach dem Skandal um verunreinigte Blutdrucksenker fordert nun auch die SPD deutlich schärfere Kontrollen für Arzneimittel. Ob Medikamentenfälschungen, Verunreinigungen oder Lieferengpässe: Durch die Verlagerung der Wirkstoff-Herstellung in Billiglohnländer sei es „zu Qualitätsdefiziten gekommen, die auch Experten überraschen“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karl<TH>Lauterbach dem Tagesspiegel. Er nehme an, dass man sich bei der notwendigen Kontrollverschärfung nicht allein auf die Pharmaindustrie verlassen könne, sondern das „hier auch der Gesetzgeber aktiv werden muss“. Allerdings könne das sehr kompliziert werden.

Gesundheitsminister will Untersuchungen abwarten

Im Bundesgesundheitsministerium äußerte man sich auch gut zwei Wochen nach dem Start der Rückrufaktion und trotz Hunderttausender von Betroffenen nur verhalten. Minister Jens Spahn (CDU) ließ auf Anfrage des Tagesspiegels mitteilen, dass die Europäische Arzneimittelagentur gemeinsam mit den Behörden der Mitgliedstaaten das Ausmaß der Verunreinigungen und mögliche Auswirkungen auf Patienten untersuche. Die Ergebnisse dieser Tests seien dann „Grundlage für etwaig zu treffende weitere Maßnahmen der europäischen und nationalen Behörden“.

Wie berichtet hatten Aufsichtsbehörden in ganz Europa einen Vertriebsstopp und Rückruf für zahlreiche Blutdrucksenker mit dem Wirkstoff Valsartan angeordnet, weil dieser – wie sich zufällig herausgestellt hat – mit einer potenziell krebserregenden Substanz verunreinigt ist. Verantwortlich dafür ist eine Produktionsumstellung bei einem chinesischen Pharmazulieferer schon im Jahr 2012. Die Verunreinigung mit Nitrosaminen wurde aber erst jetzt, durch einen anonymen Tipp aus der Branche, bekannt.

Nach Regierungsschätzungen haben in Deutschland allein im vergangenen Jahr bis zu 900.000 Patienten die verunreinigten Präparate eingenommen.

Jahrelange Einnahme krebserregender Wirkstoffe "keine Kleinigkeit"

Lauterbach betonte, dass eine jahrelange Einnahme krebserregender Wirkstoffe „keine Kleinigkeit“ wäre. Er erinnerte aber auch daran, dass Wirkstoff-Verunreinigungen durch günstig produzierende Lohnhersteller nicht das einzige Problem seien. Lieferengpässe und bewusst gefälschte Importmedikamente bedrohten die Arzneiversorgung ebenfalls.

Patientenschützer sehen die Politik in der Pflicht. Pharmahändler erzielten „Profite in Milliardenhöhe“, ohne dass es wirksame staatliche Kontrollen gebe, sagte Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz auch mit Blick auf den bekannt gewordenen Handel mit unwirksamer Krebsarznei in Brandenburg. Inzwischen habe „für jeden offenkundig, die organisierte Kriminalität den Handel mit gefährlichen Medikamenten weitestgehend ungestört in Besitz genommen“. Doch das Gesundheitsministerium schiebe den Schwarzen Peter den Ländern und Europa zu. „Das ist unerträglich.“ Es gelte nun, dem Bundeskriminalamt die Verantwortung für den Kampf gegen organisierte Kriminelle in der Pharmabranche übertragen.

Kontrollen bisher nur "sporadisch und lückenhaft"

Die Kontrollen müssten „deutlich verschärft“ werden, meint auch Lauterbach. Bisher seien sie nur „sporadisch und lückenhaft“. Dass man krebserregende Substanzen ausgerechnet in den relativ einfach herzustellenden Wirkstoffen für Blutdrucksenker gefunden habe, nannte Lauterbach besonders alarmierend. „Valsartan zu produzieren, ist keine Hexenmeisterei“, sagte er. Da stelle sich dann schon die Frage, „wie es um die Qualität anderer Medikamente bestellt ist“.

Einen Grund für diese Vertrauensseligkeit sieht Lauterbach in der Komplexität der Materie: Um Arzneiwirkstoffe effektiv kontrollieren zu können, benötige man Speziallabore und enormes Know-How. Auch daher habe man sich bisher gerne auf die Qualitätskontrollen der Firmen verlassen. Als Vorbild für ein besseres Kontrollsystem empfiehlt der Politiker die amerikanische Arznei- und Lebensmittelüberwachung FDA. Für Medikamente, die in den USA oder für die USA produziert würden, gebe es die strengsten Überprüfungen.

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