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Politik: Slobodan Milosevic: Parlament macht den als Kriegsverbrecher Gesuchten zum Präsidenten auf Lebenszeit

Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic will sich nicht aus der Politik zurückziehen. Der angeklagte Kriegsverbrecher sucht auch nicht diskret nach einem Land, das ihm Exil und Schutz vor der Verfolgung durch das Haager Tribunal bieten könnte.

Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic will sich nicht aus der Politik zurückziehen. Der angeklagte Kriegsverbrecher sucht auch nicht diskret nach einem Land, das ihm Exil und Schutz vor der Verfolgung durch das Haager Tribunal bieten könnte. Mit der Verfassungsänderung lässt Milosevic keine Zweifel an seiner Absicht, Präsident "auf Lebzeiten" zu werden.

Milosevic war schon acht Jahre (1989-1997) Präsident von Serbien. Im Sommer nächsten Jahres wäre auch seine Zeit als Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien ausgelaufen. Die bisherige Rechtslage hätte keine zweite Mandatsperiode zugelassen. Slobodan Milosevic musste vorsorgen. Ein Staatsamt ist die einzige Versicherung gegen eine Strafverfolgung. Jugoslawiens Präsident wird laut den neuen Verfassungsartikeln nicht wie bisher von den beiden Kammern des Bundesparlamentes, sondern durch Volkswahl bestimmt werden. Und er könnte seiner Herrschaft weitere zwei Mandatsperioden von jeweils fünf Jahren anhängen. Milosevic kann darauf zählen, dass sich die zerstrittene Opposition auf keinen gemeinsamen Gegenkandidaten wird einigen können.

Milosevic erweist sich einmal mehr als Legalist, der zumindest den Schein der Rechtmäßigkeit wahren will. Um vielmehr als den Schein geht es nicht: Die meisten Abgeordneten im Bundesparlament haben von der für Donnerstag angesetzten Verfassungsänderung erst am Vortag erfahren. Einige wurden kurzfristig per Telefon zur Sitzung eingeladen, andere erhielten überhaupt kein formelles Aufgebot. Die Details des Entwurfs waren ohnehin nur den Abgeordneten der Regimeparteien bekannt. Die Regierungszeitung "Politika" berichtete in ihrer Mittwochsausgabe auf Seite eins über die künftige Volkswahl des Präsidenten, als wäre die Entscheidung schon gefallen. Entsprechend reagierte die Opposition. Vladan Batic von den Christdemokraten schimpfte über die "Phantomsession" und die "letzten Zuckungen eines Mannes, der längst unter Realitätsverlust leidet". Tomislav Jeremic von der Serbischen Erneuerungsbewegung sprach von einen "Verfassungscoups" und einer "Legalisierung der Tyrannei".

Besonders groß ist die Empörung in Montenegro. Die Teilrepublik mit ihren nur 650 000 Einwohner war bisher zumindest formell innerhalb des jugoslawischen Bundesstaates gleichberechtigt mit dem mehr als zehnmal bevölkerungsreicheren Serbien. Der jugoslawische Präsident musste auch in der Republikskammer eine Mehrheit finden, in der Serbien und Montenegro über gleichviel Abgeordnete verfügen. Die Meinung Montenegros wird bei der Volkswahl des Präsidenten künftig kein Gewicht mehr haben. "Das ist der letzte Akt der politischen Zerstörung Jugoslawiens", betonte Miodrag Vukovic, Berater von Milo Djukanovic, dem westlich orientierten Präsidenten Montenegros. Die Beziehungen zwischen den beiden ungleichen Partnern sind ohnehin schon aufs Äußerste gespannt: Milosevic sieht es ungern, wie Montenegros Reformer vom Westen hofiert und zunehmend finanzielle Unterstützung bekommen. Djukanovic macht umgekehrt kein Geheimnis aus seiner Auffassung, dass der richtige Platz für den Autokraten von Belgrad das Untersuchungsgefängnis des Haager Kriegsverbrechertribunal wäre. Mit der Verfassungsänderung soll Montenegro gezwungen werden, Farbe zu bekennen: das Belgrader Diktat zu akzeptieren oder ernst zu machen mit der Abspaltung von Serbien. Und das könnte den von Milosevic vorbereiteten Bürgerkrieg auslösen.

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