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Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez muss abwarten, wie am 23. Juli abgestimmt wird.

© Andrea Comas/Reuters

Sánchez bekommt keine Regierung zusammen: In Spanien werden Neuwahlen immer wahrscheinlicher

Der geschäftsführende Ministerpräsident Sánchez braucht bis Ende Juli eine Mehrheit im Parlament. Doch bisher findet er weder links noch rechts Unterstützung.

Seit fast drei Monaten versucht Spaniens geschäftsführender Regierungschef, der Sozialist Pedro Sánchez, eine Regierung zu bilden – bisher ohne Erfolg. Weder links noch rechts der Sozialistischen Partei findet Sánchez Unterstützung für seine angestrebte Minderheitsregierung. Wenn sich das nicht bald ändert, muss in Spanien demnächst schon wieder neu gewählt werden. Es wäre die vierte Parlamentswahl in vier Jahren.

Das sind keine beruhigenden Aussichten. Weder für Spanien, wo schon seit Ende 2015 politische Blockaden im Parlament und schwache Minderheitsregierungen zu Instabilität führen. Noch für Brüssel, wo der europafreundliche Sánchez als Hoffnungsträger gilt.

In knapp zwei Wochen fällt die Entscheidung

Am 23. Juli, wird es ernst. Dann müssen die Abgeordneten einen Regierungschef bestimmen. Der 47-jährige Sánchez, der im April die vorgezogene nationale Wahl mit 29 Prozent gewann, ist der einzige Kandidat. Doch nach heutigem Stand wird der Sozialist, dessen Partei nur 123 der 350 Parlamentssitze hält, durchfallen. Im ersten Wahlgang bräuchte Sánchez die absolute Mehrheit der Stimmen, um als Ministerpräsident bestätigt zu werden. In einer zweiten Runde, 48 Stunden später, nur noch die einfache Mehrheit. Aber die notwendige Mehrheit ist nicht in Sicht. Erst recht nicht, nachdem Sánchez die Verhandlungen mit der linken Partei Podemos (Wir können), die 42 Sitze im Parlament hat, für gescheitert erklärte. Sánchez wirft Podemos-Chef Pablo Iglesias vor, mit Maximalforderungen ein Abkommen torpediert zu haben.

Iglesias Ambitionen verhindern eine Lösung

Das größte Hindernis in den Gesprächen zwischen Sozialisten und Podemos war offenbar, dass der auch in den eigenen Reihen mehr und mehr umstrittene Iglesias für sich selbst einen Ministerposten beanspruchte. Ein Ansinnen, dass Sánchez ablehnte. Kein Wunder: Iglesias gilt als kompromissloser linker Hardliner, während Sánchez mit seinen sozialdemokratisch orientierten Sozialisten eher einen pragmatischen Kurs der Mitte anstrebt. Von den drei konservativen Oppositionsparteien kann Sánchez auch keine Hilfe erwarten. Die Volkspartei, die bürgerlich-liberale Plattform Ciudadanos (Bürger) und die neue rechtspopulistische Partei Vox lehnen jegliche Zusammenarbeit mit Sánchez ab. Sie bezeichnen ihn als „Vaterlandsverräter“ – weil Sánchez vor einem Jahr mithilfe der katalanischen Separatistenparteien per Misstrauensvotum gegen den früheren konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy an die Macht kam.

Diese konservative Dreierallianz kann mit ihren insgesamt 147 Abgeordneten Sánchez’ Wahl im Parlament blockieren. Sie ist aber zugleich nicht stark genug, um einen eigenen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs durchzuboxen. Vergeblich bat Sánchez den konservativen Block, das Staatswohl zu bedenken und sich bei der Ministerpräsidentenwahl im Parlament zu enthalten und die Bildung einer Regierung nicht zu boykottieren.

Schon lange herrscht politischer Stillstand

Eine Blockade würde Spanien über Monate weiter lähmen. Seit Sánchez’ bisherige Minderheitsregierung im Februar am Streit über den Haushalt 2019 scheiterte, herrscht politischer Stillstand im Land: Das Parlament tagt schon seit fünf Monaten nicht mehr. Es existiert kein Staatshaushalt für 2019, weswegen nur Routineausgaben getätigt werden können, um die laufenden Staatskosten zu decken. Der Reformstau wird immer länger.

In Brüssel dürfte man über die spanische Hängepartie alles andere als glücklich sein. Zumal Spanien mit 13,6 Prozent die zweithöchste Arbeitslosenquote der EU hat, in der Rentenkasse ein tiefes Loch klafft und sich die Staatsverschuldung mit 97 Prozent des Bruttoinlandsproduktes weit über der Euro-Stabilitätsgrenze von 60 Prozent befindet.

Warten auf ein politisches Wunder

Übrigens: Die kleinen Regionalparteien aus Katalonien und dem Baskenland, die mit dem dialogfreundlichen Sánchez durchaus sympathisieren, werden ihn dieses Mal nicht retten können. Sollte Podemos kommende Woche bei der Wahl des Regierungschefs tatsächlich gegen Sánchez votieren, werden auch die Stimmen der Regionalparteien nichts am Scheitern des Sozialisten ändern.

Soweit also kein politisches Wunder eintritt und sich doch noch eine mehrheitsfähige Zusammenarbeit anbahnt, muss Spaniens königliches Staatsoberhaupt Felipe die Bürger spätestens im Herbst erneut an die Urnen rufen.

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