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Lieber direkt. Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel am vergangenen Mittwoch in Erbil im Nordirak. Foto: Thomas Imo/photothek.net

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Politik: So forsch wie fair

Minister Niebel will der Entwicklungspolitik ein neues Gesicht gegeben – nicht alle sind glücklich darüber

Berlin - Dirk Niebel hat sein Amt als Entwicklungsminister mit drei inhaltlichen Ansagen angetreten. Er will mehr Geld bilateral ausgeben, also nicht über den Umweg einer internationalen Organisation. Er hält wenig von Budgethilfe, die mit mehr oder weniger Auflagen direkt in die Haushalte von Entwicklungsländern gezahlt werden. Und er will die Wirtschaft als Partner gewinnen.

In den vergangenen zwei Wochen hat der FDP-Politiker zwei Mal gezeigt, was er damit meinen könnte. Am 25. Januar stoppte er die Zahlungen an den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose. Seine Begründung waren Presseberichte über Korruption. Eine Woche später ließ Niebel die Budgethilfe für Malawi halbieren, weil im November lesbische Beziehungen unter Strafe gestellt worden waren und die Pressefreiheit gesetzlich eingeschänkt worden war.

Der Globale Fonds ist neben dem Welternährungsprogramm (WFP) ziemlich die einzige internationale Organisation, zu der Deutschland freiwillige Beiträge leistet. Die meisten multilateralen Beiträge sind über Jahre festgelegt. Etwa für die Europäische Entwicklungspolitik, die Deutschland in diesem Jahr mit etwa 2,35 Milliarden Euro mitfinanziert. Für das WFP sind im Entwicklungsetat lediglich 23 Millionen Euro eingeplant, für den Globalen Fonds immerhin 47,5 Millionen. Ist also Korruption der Grund, dem Fonds die Mittel zu sperren? Tatsächlich hat der Generalinspekteur des Globalen Fonds, John Parson, bereits Ende des vergangenen Jahres aufgedeckt, dass in vier Ländern – Mali, Mauretanien, Dschibuti und Sambia – Mittel veruntreut worden waren. Nun fordert der Globale Fonds 34 Millionen Dollar zurück. Im vergangenen Jahr hat er insgesamt 13 Milliarden Dollar ausgegeben, um 2,8 Millionen Aidskranke mit Medikamenten zu versorgen, mit Insektiziden behandelte Bettnetze gegen die Übertragung von Malaria zu verteilen und Behandlungsprogramme für Tuberkulose zu finanzieren.

Tobias Kahler von der Entwicklungskampagnenorganisation One sagt mit Blick auf den Globalen Fonds: „Die beste Medizin gegen Korruption ist Transparenz.“ Anfang der Woche hat Niebel mit dem Fonds eine Sonderprüfung vereinbart. Niebel äußerte den Verdacht, dass die Budgethilfe, die direkte Überweisung von Hilfsgeldern an Regierungen, durch den Globalen Fonds besonders korruptionsanfällig sein könnte. Ein Sprecher Niebels sagte dem Tagesspiegel, auch in Projekten könne es eine „Mittelfehlverwendung“ geben, doch da würden die eingereichten Rechnungen durch eine Außenrevision geprüft. Allerdings halten die meisten Experten das Anti-Korruptionssystem des Globalen Fonds für ziemlich vorbildlich. Tobias Hauschild von Oxfam sagt: „Gerade beim Globalen Fonds lassen sich die Mittelflüsse sehr gut nachvollziehen.“

Kahler sieht in einer Rückkehr zu mehr bilateralen Projekten einen Rückschritt. „Effizienz sollte das Kriterium sein“, findet er. Tobias Hauschild meint, dass die Budgethilfe genau das leisten kann. Schließlich werde das Geld einer parlamentarischen Kontrolle unterworfen, die für Projekte außerhalb nicht gelte. Der Düsseldorfer Soziologe Walter Eberlei hält sogar eine „Rückkehr zur Projektitis“ für möglich. Dabei sollte doch gerade dieser offenkundig ineffiziente Hilfeansatz mit der Paris-Deklaration überwunden werden, in der sich Geberländer zu mehr Kooperation untereinander und zu mehr Eigenständigkeit und Verantwortlichkeit der Nehmerländer verpflichtet haben.

Claudia Warning, Chefin des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED), hat durchaus Verständnis für die Bedenken, die Niebel bei der Budgethilfe hat. Derzeit beziehen nur noch Burkina Faso, Ghana, Mali, Malawi, Mosambik, Ruanda, Sambia, Tansania und Uganda direkte Budgethilfe aus Niebels Etat. Für Sambia hat das Entwicklungsministerium die Budgethilfemittel im Vorjahr bereits gekürzt. Neben dieser direkten Budgethilfe gibt es sektorale Budgethilfeprogramme in Peru im Wassersektor und in Äthiopien zur Sicherung sozialer Grunddienste. Grundlegende Defizite bei Menschenrechten und demokratischen Grundrechten wie der Pressefreiheit haben übrigens weder in Äthiopien noch in Ruanda zu einer Kürzung der Budgethilfe geführt. Die Kriterien sind trotz des „Budgethilfekonzepts“ des Entwicklungsministeriums recht dehnbar. Vor allem wenn ein Land „große Stabilität in die Region bringt wie Äthiopien“. Außerdem sagt ein Sprecher Niebels, solle man nicht ein Land gegen ein anderes ausspielen. Dagegen weist Warning darauf hin, dass die Kriterien Deutschlands und der Europäischen Union nahezu deckungsgleich seien. Die EU jedoch leistet in mehr als 40 Ländern Budgethilfe.

Uschi Eid, von 1998 bis 2005 Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, kann zwar die Skepsis gegenüber multilateralen Organisationen durchaus verstehen. Doch eine Rückkehr zu bilateralen Projekten hält sie für kontraproduktiv. Eid würde Niebel eher dazu raten, die Kapitalanteile an den regionalen Entwicklungsbanken zu erhöhen. „Die sind nah dran und effizient“, sagt sie. Wie Eid findet auch Kahler Niebels Dialog mit der Wirtschaft „grundsätzlich richtig“. Auch wenn nicht absehbar sei, ob dieser Dialog tatsächlich zu mehr Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in Afrika führe.

Auch Warning findet den Ansatz interessant. Allerdings wünscht sie sich vom BMZ eine klarere Aussage, wie die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft denn aussehen könnte. Aufgabe eines Wirtschaftsdialogs könnte ihrer Einschätzung nach sein, wie sich Mikrofinanzprogramme in eine Marktwirtschaft übertragen lassen. „Solange sie im Non-Profit-Bereich geblieben sind, waren sie ein gutes Entwicklungsinstrument. Doch kaum wurde mit den Kleinkrediten gehandelt, hat der Aufbau von Sozialkapital nicht mehr funktioniert, und Mikrokredite sind in Misskredit geraten“, sagt sie.

Nicht nur die Entwicklungsszene weiß nicht recht, was sie von dem forschen Minister halten soll. Auch Mitarbeiter unterhalb der Leitungsebene haben ein ambivalentes Verhältnis zu Niebel und seinem Team. Für den persönlichen Umgang erhält er gute Noten. Wenn es sich ergibt, begrüße er auch das kleinste Licht im Ministerium mit Handschlag und erkundige sich nach seinem Befinden, sagt ein Mitarbeiter. Aber er richtete auch einen fünfköpfigen Planungsstab ein, der durchsetzen soll, dass alle Abteilungen im Haus an einem Strang ziehen. Das führte dazu, dass über viele Jahre eingeübte Kommunikationswege versandeten.

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