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Politik: So nah wie nie

Die Zyprer verhandeln über ihre Vereinigung – gibt es Streit, soll UN-Generalsekretär Annan allein entscheiden

30 Jahre dauert die Teilung von Zypern, jetzt haben Griechen und Türken einen Weg gefunden, der eine Wiedervereinigung der Mittelmeerinsel bis zum 1. Mai ermöglichen soll. Vertreter der griechischen und türkischen Zyprer stimmten am Freitag in New York einem Fahrplan der Vereinten Nationen für Verhandlungen zu, die kommende Woche beginnen und bis Ende März abgeschlossen sein sollen. Wenn der Zeitplan eingehalten wird, kann das vereinte Zypern – ein Bundesstaat nach Schweizer Modell – am 1. Mai in die EU aufgenommen werden.

Die Grundsatzeinigung ist ein Durchbruch bei den jahrzehntelangen Bemühungen um eine Friedenslösung auf Zypern. Sie kam nicht zuletzt durch das starke Interesse der Türkei an einer Lösung zustande, deren EU-Bewerbung dadurch gestärkt wird. Nach dreitägigen Gesprächen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan in New York stimmten der griechisch-zyprische Präsident Tassos Papadopoulos und der türkische Volksgruppenführer Rauf Denktasch einer von Annan verfassten Abschlusserklärung zu, die sie zu einer bisher noch nie dagewesenen Kompromissbereitschaft verpflichtet. Das Revolutionäre liegt in der Bereitschaft beider Volksgruppen, Annan das letzte Wort bei Streitfragen zu geben. „Wir haben noch nicht alle Fragen lösen können“, sagte Annan. Aber die Lösung sei so nah wie nie zuvor.

Die direkten Verhandlungen zwischen Papadopoulos und Denktasch über den so genannten Annan-Plan zur staatlichen Neuordnung auf Zypern beginnen am nächsten Donnerstag in Nikosia. Können sie sich bis zum 22. März nicht einigen, werden Griechenland und die Türkei als Garantiemächte eingeschaltet; auch die EU kann „technische Hilfe“ leisten. Wenn es trotzdem bis zum 29. März keine Verständigung gibt, darf Annan alle offenen Punkte im Alleingang regeln.

In getrennten Volksabstimmungen sollen Griechen und Türken auf Zypern am 21. April schließlich über die „Vereinte Republik Zypern“ entscheiden. Die neue Republik soll dann am 1. Mai Mitglied der EU werden. Auf Zypern leben etwa 770 000 Griechen und 200 000 Türken. Die ehemalige britische Kolonie wurde 1960 in die Unabhängigkeit entlassen und versank schon kurz darauf in einem blutigen Bürgerkrieg zwischen beiden Volksgruppen. Nach einem Putsch griechischer Nationalisten, die Zypern an Griechenland anschließen wollten, besetzten 1974 türkische Truppen das nördliche Drittel der Insel. Seitdem ist Zypern geteilt.

Schon jetzt zeichnen sich jene Themen ab, die bei den bevorstehenden Verhandlungen besonders knifflig sein werden. Zum einen will die griechische Seite wesentlich mehr griechischen Flüchtlingen die Rückkehr in den türkischen Norden ermöglichen, als den Zypern-Türken lieb ist. Offen ist auch der Grenzverlauf zwischen beiden Kantonen sowie die Frage, wie viele der inzwischen auf Zypern angesiedelten Festland-Türken die Insel wieder verlassen müssen. Die Zukunft der türkischen Truppen auf der Insel ist ebenfalls ein wichtiger Streitpunkt. Annan verlangt einen stufenweisen Abzug, doch die Militärs in Ankara wollen die strategisch wichtige Insel 80 Kilometer vor der türkischen Südküste nicht ohne weiteres aufgeben.

Trotz dieser offenen Fragen ist die Grundsatzeinigung für Zypern ein wichtiger Erfolg auch für die türkische Regierung. Sie hatte erheblichen Druck auf Denktasch ausgeübt, um den als Hardliner bekannten Volksgruppenführer zu einer konstruktiveren Haltung zu bewegen, weil sie einen Durchbruch auf Zypern für ihre eigene EU-Bewerbung braucht. Nach Ansicht europäischer Diplomaten in Ankara erhöht eine Einigung für Zypern die Chancen der Türkei, Ende des Jahres von der EU ein Datum für Beitrittsverhandlungen zu erhalten. Außenminister Abdullah Gül betonte deshalb, die Initiative für die Einigung sei von der Türkei ausgegangen.

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