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Grünen-Chef Robert Habeck hat sich selbst verdammt und von den sozialen Netzwerken ausgeschlossen.

© dpa/Carsten Rehder

Social Media: Der Kanal ist noch nicht voll

Wer an Gemeinschaft teilhaben will, darf sich vom Gebrauch von Massenmedien nicht ausschließen. Digitalisierung ist wichtig für die Demokratie. Ein Kommentar.

Was hat Digitalisierung mit Demokratie zu tun? Verdammt viel! Und das legere Wort passt. Wie beim Ober-Grünen Robert Habeck. Der hat sich selbst verdammt und von sozialen Netzwerken ausgeschlossen. Obwohl: So ganz stimmt das nicht, seine Partei wird weiter über ihn twittern, facebooken, instagrammen. Nur er persönlich nicht mehr.

Verdammt viel hat diese Form der digitalen Vernetzung aber auch mit dem zu tun, was Demokratie leisten soll: Teilhabe sichern. Und zwar die des Bürgers an Entscheidungsprozessen. Richtig verstanden gehört Transparenz dazu. So könnte man dann auch anders als Habeck schlussfolgern: Wer an Gemeinschaft teilhaben will, darf sich vom Gebrauch von Massenmedien nicht ausschließen.

Diese Haltung, nennen wir sie Offenhaltung, setzt nun aber mehrerlei voraus. Vor allem, dass sich jeder, nicht zuletzt jeder Politiker, darüber klar wird, wie er die sozialen Medien nutzen will. Sollen sie PR machen, Inhalte über die Kanäle verteilen und Schluss? Oder sollen sie Dialog-, ja sogar Diskursinstrument sein? Je nach Entscheidung fällt die Art aus, wie der Kanal befüllt wird.

Viele haben in aller Regel nicht die Zeit, sich sehr lange am Stück in den sozialen Netzwerken zu bewegen. Viele Politiker, Unternehmen und Organisationen beantworten diese Herausforderung durch Beanspruchung damit, dass sie Profis einstellen, die ihre Social-Media-Accounts betreuen. Es werden, wenn man den Zahlen folgt, auch im Parlamentsbereich immer mehr. Die Betreuung geht dann oft bis hin zum Persönlichen. So kann es übrigens passieren, dass der Account von Christian Lindner zur Erheiterung der Netzgemeinde dann Christian Lindner zum Geburtstag gratuliert.

Dennoch ist dieser Umgang weder zu verlachen noch zu verachten. Wir kommen hier zu einem wirklich wesentlichen Punkt: Wer demokratische Gepflogenheiten wahren will, muss in heutiger Zeit „valide Ansprechpunkte im Netz bieten“. Sagt, stellvertretend für viele, der Politikberater Mathias Richel. „Das Wahlkreisbüro und der Gartenzaun haben zwar ihre Bedeutung nicht verloren, aber soziale Netzwerke sind in eine gleichwertige Position gerückt.“ Richtig: Auch virtuell gibt es Nachbarschaftspflege.

Nehmen wir Twitter, für 96 Prozent der Menschen dieses Landes ist es als Medium nicht zentral. Will sagen: Sie twittern nicht. Aber sie erfahren von politischen Absichten über die Multiplikatoren, die eine Zielgruppe bei Twitter sind. Soziale Netzwerke bieten Informationen. Sie sind schon jetzt vielfältig. Die Zahl der Follower ist auch eine, weil sie etwas darüber aussagt, wie jemand mit seinen Positionen ankommt. Aber die Beiträge auf Twitter, Facebook und Instagram bieten mehr als das – sie zeigen, welche Botschaften Politiker wichtig nehmen.

Darauf zu verzichten, heißt, das vorhandene, brach liegende Potenzial trotzdem übers Internet ansprechen zu müssen, über Blogs oder die von Teams moderierten Accounts. Wie beim Grünen Robert Habeck. Darum ist es, bleibt es eine geradezu intellektuelle Aufgabe, den Umgang mit Social Media zu professionalisieren und sich selbst im Umgang zu kontrollieren. Und Debatten zu initiieren, wenn sie denn (hoffentlich) gewollt sind. Dass Politik dafür auf klare, eingängige Begriffe gebracht werden muss, ist eine Lehre noch aus dem vorigen Jahrhundert. Eine verdammt wichtige.

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