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© dpa

Social-Network-Profile: Politiker trotzen dem Spott im Netz

Spitzenpolitiker aller Parteien wollen trotz aller Häme und Attacken auch künftig nicht auf eigene Internet-Seiten und Social-Network-Profile verzichten. Gerade wurde der Grüne Fritz Kuhn Opfer eines Hacker-Angriffs.

Berlin - Grünen-Spitzenpolitiker Fritz Kuhn ist Opfer einer Hacker-Attacke im Internet geworden. Nach Angaben des „Focus“ geht die Polizei von einer „politisch motivierten Tat“ aus und hat Ermittlungen aufgenommen. Kuhn, der noch die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen leitet, wollte am Abend vor der Bundestagswahl unter der Adresse www.chat.gruene-bw.de über Wirtschaftskrise, Klimaschutz und Atomausstieg plaudern. Nach wenigen Minuten klinkte sich jemand unter dem Namen „Fritz Kuhn“ ein und beantwortete Fragen der Chat-Teilnehmer. Dabei bat er sie, „CDU oder FDP zu wählen“. Kurz darauf meldete sich ein „Kritz Fuhn“ mit Kommentaren in Fäkalsprache. Der von ihm eingeschleuste Code leitete die User auf Pornoseiten um. Zudem wurde die Homepage mit einem Virus verseucht. Fritz Kuhn sprach von „perversen, ekelhaften Bildern“. Kuhn: „Das war ein Angriff auf die Meinungsfreiheit – und da hört bei mir der Spaß auf!“

Die gute Laune dürfte auch Frank-Walter Steinmeier beim Blick auf das eigene Internet-Profil bei dem sozialen Netzwerk StudiVZ vergangen sein. Keine fünf Minuten nach der Bekanntgabe der ersten Prognosen am Wahlabend fingen die Internetnutzer an, sich über die Schlappe des SPD-Kanzlerkandidaten lustig zu machen. „Ab in die Opposition!“, schreibt einer auf Steinmeiers virtuelle Pinnwand. „Top Ergebnis!“, ein anderer. Zwischen Aufmunterungsappellen und Mitleidsbekundungen verhöhnen die Internetnutzer den Kandidaten, bezeichnen ihn als „Lusche“, lachen ihn aus.

Steinmeiers Profil bei StudiVZ ist natürlich nur eines von vielen. Fast jeder Spitzenpolitiker ist im Web 2.0. Facebook, MeinVZ – die meisten von ihnen nutzen gleich mehrere Plattformen. Und fast überall sind die Spitzenkandidaten der Parteien auch dem Spott, zumindest aber der Kritik, ihrer Nutzer ausgeliefert – vor allem jetzt nach der Wahl.

Guido Westerwelle (FDP) muss sich da schon mal anhören, dass er das „formvollendete Beispiel eines machtgeilen Opportunisten“ sei. Gregor Gysi (Die Linke) bezeichnet man als „Loser“ (Verlierer). Auch die Grünen bleiben nicht ganz vom Spott befreit. So schreibt ein Nutzer: „Nie mehr Pack (Grüne, SPD, Linke) an der Macht!!! Ps: Frau Künast, Sie haben verloren!!!“ Die CDU hat die Kommentarfunktion auf der Pinnwand von Angela Merkel an Wochenenden mittlerweile sogar schon gesperrt. Da reichten die Entgleisungen von rechtsradikalen Äußerungen bis hin zu pornografischen Witzen und Beleidigungen, sagt Stefan Hennewig, der den Web 2.0-Wahlkampf der CDU geleitet hat. Soweit es geht, versuchen auch die anderen Parteien, unflätige Anmerkungen der Nutzer auf den Profilseiten ihrer Kandidaten zu entfernen. „Es ist aber sehr ressourcenaufwendig“, sagt Sebastian Reichel, zuletzt Referent für digitale Medien der SPD-Fraktion und Leiter des Online-Wahlkampfes.

Ob sich der Aufwand überhaupt lohnt, ist umstritten. Um die Nutzer zu halten, müssen Fragen beantwortet und immer neue Inhalte auf die Seite gestellt werden. Zumindest, wenn sich der Nutzen eines solchen Profils nicht durch mehr Wählerstimmen ausdrücke, lohne sich die Mühe wohl kaum, sagt Matthias Jung, Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen. „Die sozialen Netzwerke beherbergen nur eine sehr begrenzte Community, deren Bedeutung durchaus überschätzt wird.“ Angesichts des demografischen Wandels werden diejenigen, die über die sozialen Netzwerke mobilisierbar seien – vor allem Jugendliche und junge Erwachsene –, künftig womöglich sogar noch weniger.

Auf die Profile ihrer Spitzenpolitiker im Netz will künftig trotzdem keine Partei verzichten.

Issio Ehrich

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