zum Hauptinhalt

Politik: Sofias neuer Chefermittler

Dieser Wachwechsel – und vor allem seine Folgen – dürfte auch in Brüssel genau registriert werden. Nach siebenjähriger Amtszeit hat der bulgarische Generalstaatsanwalt Nikola Filchev seinen Posten turnusgemäß an Boris Velchev übergeben.

Dieser Wachwechsel – und vor allem seine Folgen – dürfte auch in Brüssel genau registriert werden. Nach siebenjähriger Amtszeit hat der bulgarische Generalstaatsanwalt Nikola Filchev seinen Posten turnusgemäß an Boris Velchev übergeben. Während das Land mit dem 58-jährigen Filchev eine seiner schillerndsten und umstrittensten Persönlichkeiten verliert, ist man in Sofia gespannt, ob der Neue seinen Ankündigungen Taten folgen lässt. Denn es könnte von wesentlicher Bedeutung für Bulgariens Integration in die Europäische Union sein, inwieweit es Velchev gelingen wird, das unter seinem Vorgänger beschädigte Renommee des Amtes wiederherzustellen.

Filchev, nun Botschafter in Kasachstan, hatte sich seit seiner Ernennung 1999 zielsicher mit allen politischen und gesellschaftlichen Gruppen angelegt. Allerdings sollte von seiner Konfrontationslust nicht auf seine Integrität geschlossen werden. Die Vorwürfe gegen ihn während seiner Amtszeit reichten von Unfähigkeit über Amtsmissbrauch und Käuflichkeit bis zur Verstrickung in den Mord an dem Staatsanwalt Nikolai Kolev 2002. Zudem wirft die äußerst geringe Aufklärungsquote bei den vielen Auftragsmorden der vergangenen Jahre kein gutes Licht auf seine Amtsführung.

Bulgariens regierende Koalition aus Sozialisten, Zaristen und Türken sieht sich vor allem durch die Mahnung der Europäischen Kommission herausgefordert, das Justizsystem zu reformieren und den Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu forcieren. Falls der für den Mai 2006 geplante abschließende EU- Bericht für diese Bereiche nicht deutliche Fortschritte verzeichnet, droht die Verschiebung des für den 1. Januar 2007 avisierten EU-Beitritts Bulgariens um ein Jahr. Dementsprechend hat die bulgarische Nationalversammlung eine Strafrechtsnovelle verabschiedet, deren Tauglichkeit sich in der Rechtspraxis erweisen muss. Als weiterer Schritt steht die Änderung des Immunitätswesens für Parlamentarier und Staatsdiener an, die momentan heiß debattiert wird. Es gilt als offenes Geheimnis, dass sich einige Mandatsträger der Strafverfolgung nur wegen ihrer Immunität entziehen können.

Der 43-jährige Velchev kündigte nach seiner Ernennung an, sich für einen restriktiveren Umgang mit Immunitätsrechten für Richter und Staatsanwälte einzusetzen. Die rechten Oppositionsparteien aber kritisieren ihn scharf und sprechen ihm als bisherigem Berater des sozialistischen Staatspräsidenten Georgi Parvanov in Justizfragen die für die Unabhängigkeit der Generalstaatsanwaltschaft nötige Politikferne ab. Außerdem zählen sie ihn aufgrund seines früher im Politbüro der bulgarischen Kommunistischen Partei sitzenden Großvaters zur einstigen Nomenklatura. Dagegen begrüßte EU-Justizkommissar Franco Frattini bei einem Besuch in Sofia Velchevs Wahl und fand lobende Worte für die Justizreformen.

„Es gibt nur ein Kriterium der Arbeit eines Generalstaatsanwalts“, sagte Velchev nach seiner Wahl: „die Zahl verurteilter Verbrecher“. Die Gefahr, es könnte ihm an Gelegenheiten ermangeln, sich in seinem Amt zu beweisen, ist gering. So wurde unlängst der Chef des Bulgarischen Roten Kreuzes wegen mutmaßlicher Veruntreuung von Spendenmitteln verhaftet. Kurz darauf wurden Vorwürfe gegen den früheren Fußball-Nationalspieler Yordan Letschkov laut, in seiner Eigenschaft als Bürgermeister der südbulgarischen Stadt Sliven öffentliche Gelder veruntreut zu haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false