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Politik: Solana kritisiert Wirrwarr der internationalen Organisationen: "Balkan-Hilfe ist unkoordiniert und nicht effektiv"

Der Hohe Beauftragte für die EU-Außenpolitik Javier Solana und die EU-Kommission haben beim EU-Gipfeltreffen in Lissabon massive Kritik an der westlichen Balkan-Hilfe geübt. Die Bilanz nach fast zehn Jahren massiver finanzieller und materieller Unterstützung sei unbefriedigend, heißt es in einem Bericht, der am Donnerstag in Lissabon den 15 Staats- und Regierungchefs als Grundlage der Gipfeldebatte diente.

Der Hohe Beauftragte für die EU-Außenpolitik Javier Solana und die EU-Kommission haben beim EU-Gipfeltreffen in Lissabon massive Kritik an der westlichen Balkan-Hilfe geübt. Die Bilanz nach fast zehn Jahren massiver finanzieller und materieller Unterstützung sei unbefriedigend, heißt es in einem Bericht, der am Donnerstag in Lissabon den 15 Staats- und Regierungchefs als Grundlage der Gipfeldebatte diente.

Ein erheblicher Teil der Hilfe für Bosnien, Kosovo und die Region verpuffe, weil die Hilfsleistungen der einzelenen Länder nicht ausreichend aufeinander abgestimmt seien. Vor allem aber tummelten sich inzwischen so viele Hilfsorganisationen und internationale Institutionen im Krisengebiet, dass "die Effizienz dadurch beeinträchtigt" werde. Nicht nur der Kreis der an der Balkan-Hilfe Beteiligten sei immer unüberschaubarer, sondern auch die zahlreichen Programme und Projekte. Vieles überschneide sich, vieles werde doppelt gemacht. Obwohl die Europäische Union mit großem Abstand der wichtigste Geber in der Region sei, habe sie dennoch nur "begrenzten Einfluss auf einige Elemente dieser komplexen Maschinerie."

In dem zehnseitigen Bericht werdem dem Stabilitätspakt für den Balkan gerade einmal sieben Zeilen gewidmet. Der Name des deutschen Koordinators für den Stabilitätspakt, Bodo Hombach, taucht in dem EU-Papier nicht auf. Unterdessen hieß es am Donnerstag aus diplomatischen Kreisen in Lissabon, dass man jetzt daran denken müsse, "im Zuge einer dringend nötigen Vereinfachung der Strukturen auch über den Posten Hombachs nachzudenken".

Als Reaktion auf den ungewöhnlich kritischen Bericht forderte der Präsident der EU-Kommission Romano Prodi mehr Abstimmung der EU-Mitgliedstaaten und ein verstärktes Engagement der Europäer auf dem Balkan. "Wir werden nie dazu beitragen, die Balkan-Frage zu lösen, wenn unsere Anstrengungen selbst balkanisiert bleiben", sagte Prodi in einem Interview. Um die nach wie vor von Krieg und Krisen bedrohte Region zu stabilisieren, dürfe die EU trotz der Rückschläge mit den Hilfsleistungen nicht nachlassen, fordert die EU-Kommission. Sie schlägt den Staats- und Regierungschefs deshalb vor, für die Jahre 2000 bis 2006 weitere 5,5 Milliarden Euro bereitszustellen (knapp 10 Milliarden Mark). Die beiden südosteuropäischen Kandidaten für den EU- Beitritt, Bulgarien und Rumänien, sollen im gleichen Zeitraum rund 6 Milliarden Euro "Heranführungshilfe" erhalten.

Auf Prodis Vorschläge reagierte die Bundesregierung in Lissabon mit skeptischer Zurückhaltung. Berlin wehrt sich gegenwärtig gegen alle Vorschläge aus Brüssel, die Geld kosten. Um so berechtigter sei diese Skepsis, so hieß es am Donnerstag aus deutschen Diplomatenkreisen, da man nicht nur bei der Organisation der Balkan-Hilfen schlechte Erfahrungen gemacht habe, sondern auch beim Mittelmeerprogramm. Hier habe man nicht ausreichend sinnvolle Projekte auf die Beine stellen können, so dass fast 20 Milliarden Euro schon genehmigter Gelder nicht abgeflossen seien.

Die Politik der EU habe sich trotz aller Mängel letztlich positiv auf dem Balkan ausgewirkt. Dennoch sei die EU-Hilfe zu langsam, zu bürokratisch und zu wenig zielgerichtet, hieß es in Lissabon. Die komplizierten Verfahren bei der Entscheidungsfindung in der EU und die nach wie vor geforderte Einstimmigkeit im EU-Ministerrat seien Hindernisse, die eine zügige Hilfe im Krisenfall erschweren. Obgleich die EU und die Mitgliedstaaten seit 1991 mit mehr als 9 Milliarden Euro (17,5 Milliarden Mark) zur Balkan-Hilfe beigetragen habe und 28 000 Soldaten als Friedenstruppe stationiert habe, sei es "einem Großteil der Bevölkerung in den Empfängerländern kaum bewusst, woher diese Hilfe kommt". Ländern, die weit weniger Hilfe leisten, sei es gelungen, ihre Arbeit in der internationalen Öffentlichkeit besser zur Geltung zu bringen. Die EU müsse nicht nur ihre interne Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten energisch verbessern, sondern ihre Hilfe auch international sichtbarer machen.

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