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Schorlau

© dpa

Soldaten-Frauen: "Der Mann, der klingelte, war nicht mehr mein Ehemann"

Was Frauen der Elitesoldaten berichten - Krimiautor Schorlau über seine Recherchen im Umfeld des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr.

Herr Schorlau, in Ihrem neuen Krimi „Brennende Kälte“ geht es um einen Elitesoldaten der Bundeswehr, der traumatisiert aus Afghanistan zurückkehrt und zum Amokläufer wird. Was hat Sie an diesem Stoff gereizt?

Den Typus des Kriegsveteranen kennen wir bisher vor allem aus Amerika. Mein Ansatz war die Frage: Müssen wir in Deutschland jetzt auch mit Amokläufern oder Ähnlichem rechnen, weil so viele deutsche Soldaten im Ausland im Einsatz sind?

Über die deutsche Eliteeinheit, das Kommando Spezialkräfte (KSK), seine Angehörigen und Einsätze, gibt es offiziell fast keine Informationen. Wieso muss sich Ihr Stuttgarter Privatermittler Dengler ausgerechnet mit einem KSK-Soldaten herumschlagen?

Die Ausbildung der KSK-Soldaten erfolgt in unmittelbarer Nähe von Stuttgart, in Calw. In einem idyllischen Tal und mittendrin diese unheimliche Kaserne, mit Doppelzäunen gesichert. Da lag es für mich nahe, diese Figur zu wählen.

Das KSK wird durch die absolute Geheimhaltung quasi zum Mythos stilisiert. Die Personen in Ihrem Krimi sind frei erfunden, deren Charaktere nicht. Wie lange haben Sie dafür im Umfeld des KSK recherchiert?

Etwas mehr als anderthalb Jahre.

Welchen Eindruck haben Sie gewonnen?

Er ist sicher unvollständig. Aber ich hatte Zugang zu dem persönlichen Umfeld von KSK-Soldaten, die in Afghanistan waren. Ich habe dabei erfahren, dass die seelischen Belastungen für diese Männer sehr, sehr groß sind.

Sie haben bei den Recherchen auch intensiveren Kontakt mit den Frauen von KSK-Soldaten gehabt. Was haben die Ihnen berichtet?

Sie beschreiben die Probleme als immens. Ich habe aus den Gesprächen eine Formulierung im Buch benutzt: „Der Mann, der wieder an der Haustür klingelte, war nicht mehr mein Ehemann.“ Die Frauen berichten von einer völligen Änderung des Charakters. Sie erzählen, dass ihre Männer quasi immer in Kampfbereitschaft waren, wenig geschlafen haben, kaum Situationen zulassen, in denen sie nicht die Kontrolle haben. Das führt dazu, dass der Lärm der Kinder und das Bellen des Hundes stört, dass der Kontakt zu den Eltern abgebrochen wurde. Und was fast alle berichtet haben: Dass ihre Männer grässliche Computerspiele spielen.

Wie gehen die Frauen mit dieser Situation um? Gibt es Hilfe von der Bundeswehr?

Viele haben mir erzählt, dass sie, als sie sich hilfesuchend an die Bundeswehr gewandt haben, zu Kaffeekränzchen eingeladen wurden.

Sie wussten zu Beginn der Recherche ungefähr, worauf sie sich einlassen. Hat sie noch irgendetwas geschockt?

Ja. Es gab im Internet eine ganze Zeit lang Blogs von amerikanischen Soldaten, bis dass Pentagon sie verboten hat. Es gibt auch eine DVD mit kleinen Filmen, die die Soldaten gedreht haben. Alles, was dort geschildert wird und zu sehen ist, hat so gar nichts mehr mit den Vorstellungen von Krieg zu tun, die ich bislang hatte. Also Soldat gegen Soldat oder irgendeine Form von Ritterlichkeit. Meine Vorstellung wie Krieg heute geführt wird, hat sich dadurch komplett geändert. Mir ist klar geworden, dass die Soldaten auch die Bevölkerung in Afghanistan und im Irak als Gegner auffassen und auch so behandeln. Das war für mich das wirklich Schockierende.

Der Korpsgeist im KSK gilt als noch ausgeprägter als in anderen Teilen der Truppe. Es gibt Insider, die sprechen von einer Armee in der Armee. Erst vor kurzem ist ein Kritiker der Eliteeinheit öffentlich in einem Brief von einem KSK-Hauptmann bedroht worden. Hatten Sie bei der Recherche irgendwann mal Sorge, dass die Sache zu heiß werden könnte?

Nun ja, schwer zu sagen. Ich bin ja nur ein Geschichtenerzähler. Bedroht wurde ich nicht. Bislang jedenfalls.

Die Fragen stellte Sven Lemkemeyer.

Wolfgang Schorlau lebt und arbeitet als freier Autor in Stuttgart. Seine Bücher haben meist einen politischen Bezug. 2006 wurde er mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet.

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