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Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck.

© REUTERS/Annegret Hilse

Soll Deutschland wie Spanien Sparen per Gesetz verordnen?: Preise wirken schneller als Paragrafen

Der wissenschaftliche Beirat von Habecks Wirtschaftsministerium hält nichts von Energiespar-Dirigismus. Und hat damit nicht unrecht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jakob Schlandt

Spanien prescht in der Energiekrise vor. Die Regierung schreibt Mindest- und Höchsttemperaturen für das Kühlen und Heizen in Gebäuden der öffentlichen Hand vor, aber auch in anderen öffentlich zugänglichen Gebäuden wie Kaufhäusern, Hotels, Kinos und Büros. Inzwischen fordern Umweltorganisationen von der Bundesregierung, dem zu folgen. Sollte Deutschland einen ähnlichen ordnungspolitischen Weg gehen? Sollte aus dem „Sollen“, das im Energiesicherheitsgesetz mehrfach vorkommt, ein „Müssen“ werden?

Für Gebäude staatlicher Institutionen kann die Antwort umgehend Ja lauten – zum einen, weil der Staat dies unmittelbar und vergleichsweise unkompliziert durchsetzen kann. Zum anderen, weil alles andere ein schlechtes Bild abliefern würde. Die Glaubwürdigkeit des Staates während aller weiteren Schritte stünde auf dem Spiel, täte er es nicht.

Wie weiter mit Privilegien bei der Stromsteuer?

Komplizierter wird die Frage in Bezug auf Unternehmen und Privathaushalte. Hier hat die Bundesregierung vergleichsweise zaghafte Vorgaben angekündigt. Darunter Maßnahmen, um die Effizienz von Gasheizungen zu steigern, wie obligatorische Heizungschecks und geringere Vorlauftemperaturen. Unternehmen, die Energie- und Umweltmanagementsysteme eingeführt haben, sollen per Verordnung zu Einsparmaßnahmen verpflichtet werden. Dies beträfe größere Unternehmen mit Energieverbräuchen von mehr als zehn Gigawattstunden, die beispielsweise gesetzliche, die Stromsteuer mindernde Privilegien in Anspruch nehmen.

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Aber sogar der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums kritisiert diese Politik von Minister Robert Habeck. Diese externen Berater sagen: Energiespar-Dirigismus und insbesondere die kürzlich beschlossene Gasumlage blockieren die Lenkungswirkung des Preises. Die Ökonomen halten einen „Preisschock“ für unverzichtbar. Erst dieser wird aus ihrer Sicht die Bereitschaft zum Energiesparen wirklich steigern.

Der Beirat hat ein Mischmodell vorgeschlagen

Eins zu eins an Verbraucher weitergegebene Preise wären in der Tat das systemisch wirksamste Mittel zum Sparen. Der Staat sollte dieses effiziente Instrument nicht schwächen – wissend, dass es zugleich auch das härteste ist. Wissend, dass er diejenigen in der Gesellschaft schützen muss, denen steigende Energiepreise die Existenzgrundlage nehmen würden. Der Beirat hat ein Mischmodell mitgeliefert. So soll Haushalten ein großer Anteil des jeweiligen Vorjahresgasverbrauchs, beispielsweise 80 Prozent, zu moderaten Preisen angeboten werden. Alles, was darüber hinaus verbraucht wird, würde deutlich teurer, denn es müsste zum Marktpreis bezahlt werden.

Der Vorschlag ist plausibel. Er müsste aber für die Vulnerabelsten in der Gesellschaft, denen das Wasser schon jetzt bis zum Hals steht, flankiert werden durch wirksame sozialpolitische Entlastungsmaßnahmen. Sonst könnte diese Krise die ihr oft zugeschriebene soziale Sprengkraft entwickeln.

[Lesen Sie auch: Spanien schaltet das Licht aus – zieht Deutschland nach? (T+)]

Potenzial, Energie über das teils durchaus schon Erreichte hinaus einzusparen, ist da. Das zeigen jüngste Gasverbrauchssenkungen einer Reihe von Industrieunternehmen. Das zeigen beim industriellen Stromverbrauch auch die zunehmenden Erfolge im sogenannten Demand Side Management. Dabei verzichten Unternehmen zu bestimmten Zeiten auf Strom, der dann anderen zur Verfügung steht.

Doch solche Fortschritte sind graduell und werden nicht reichen, um zum kommenden Winter die 20 Prozent Verbrauchsreduktion beim Gas zu erzielen, die die Bundesnetzagentur als notwendig erachtet. Deshalb muss die Bundesregierung handeln – unter kluger Nutzung der Preiswirkung.

Welchen Weg die Bundesregierung jetzt wählt, wird genau verfolgt – nicht nur im Inland. Die gesamte Europäische Union, die sich jüngst für ein gemeinsames Gas-Einsparziel von minus 15 Prozent zusammengerauft hat, beobachtet Deutschlands Anstrengungen und nächste Schritte sehr genau.

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