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Der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

© IMAGO/Emmanuele Contini

Sommer-Pressekonferenz von Olaf Scholz: Wenigstens der Kompass des Kanzlers zeigt in die richtige Richtung

Olaf Scholz führt durch eine tiefe Krise. Seine Partei liegt in Umfragen unter 20 Prozent. Wäre da nicht ein Befreiungsschlag nötig gewesen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Keiner kann aus seiner Haut. Olaf Scholz versucht es gar nicht erst. Überspitzt formuliert – also nicht ganz fair – lässt sich der erste Auftritt des Bundeskanzlers vor der Bundespressekonferenz so beschreiben: Seine Antworten pendeln zwischen belehrend und beleidigt, pampigen Einwortsätzen und informationsüberfrachteten Grundsatzreferaten. Seine Tonlage ist monoton, durch Wiederholungen zermürbt er die Aufmerksamkeit des Publikums.

Scholz führt das Land durch eine der tiefsten Krisen der Nachkriegszeit, seine Partei, die SPD, liegt in Umfragen unter 20 Prozent. Wäre in dieser Lage nicht ein Befreiungsschlag nötig gewesen?

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Aber Scholz, das ist eine seiner Stärken, lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Dabei häufen sich die „Herausforderungen“, wie er die Ereignisse untertrieben nennt: Krieg in der Ukraine, ein drohender Corona-Herbst, Dürre und Überschwemmungen als Folge eines ungebremsten Klimawandels, Inflation und Gasknappheit. Liegen die Geschicke des Landes bei ihm in den richtigen Händen? Diese Frage, die nicht gestellt wurde, musste er beantworten.

So ändern sich die Zeiten: Früher nannte man es Nichtstun und Aussitzen. Bei Scholz-Fans wird daraus Souveränität und hanseatische Gelassenheit. 

schreibt NutzerIn EinLeserMehr

Nun ist eine Pressekonferenz keine Regierungserklärung. Journalisten aus dem In- und Ausland springen von Thema zu Thema. Scholz wiederum weiß, dass ein Teil seines Images daraus besteht, zu zögerlich zu sein. Also lässt er in seine Beiträge gerne Begriffe einfließen wie „schnelle Entscheidung“, „ganz klare Ansage“, „intensiv vorantreiben“. Nebenbei zitiert er Helmut Schmidt. Das soll Entschlossenheit und Tatkraft vermitteln.

Im Kampf um einen fürsorgenden Staat

Die Prioritäten, das zeichnet den Kanzler aus, hat er erkannt. Sie bestehen aus dem Dreiklang von Ukraine unterstützen, Energie-Importe diversifizieren, den Bürger entlasten. Zu dem Wort von der „Zeitenwende“, von der er unmittelbar nach der russischen Invasion in die Ukraine sprach, steht er uneingeschränkt. Er benennt den Aggressor, weist Forderungen nach einem Diktatfrieden energisch zurück.
Die Folgen des Krieges, Gasknappheit und Preissteigerung, verspricht er, mit den Mitteln eines fürsorgenden Staates abzufedern. Angela Merkel hatte auf einer Sommerpressekonferenz einst „Wir schaffen das“ gesagt. Da ging es um die Aufnahme von Flüchtlingen. Bei Scholz heißt es „You’ll never walk alone“.

Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag vor der Bundespressekonferenz in Berlin.
Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag vor der Bundespressekonferenz in Berlin.

© Lisi Niesner, Reuters

Seine Regierung werde alles dafür tun, dass die Bürger „durch diese schwierige Zeit“ kommen.

Ich rechne ihm hoch an, dass er ruhig und sachlich versucht, den Erfordernissen seines Amtes gerecht zu bleiben und eben nicht vordergründig die momentanen Interessen seiner Partei verfolgt.

schreibt NutzerIn KHPW

Das Steuersenkungskonzept von Finanzminister Christian Lindner sei eine nützliche Diskussionsgrundlage, ersetze aber nicht das Gesamtpaket an Maßnahmen, das die Regierung schnüre. Sich von russischem Gas abhängig zu machen, sei ein Fehler gewesen, der allerdings jetzt – durch Kohle- und womöglich Atomkraft, Flüssiggasterminals und Ausbau der Erneuerbaren – korrigiert werde.

So erklärt sich manche Schmallippigkeit

Unwirsch reagiert Scholz auf Fragen nach seiner Rolle in der Hamburger Steueraffäre. Eine Beeinflussung durch die Politik habe es zu keiner Zeit gegeben, punktum. Und der Zoff in der Ampel? Die Koalition bestehe aus drei Parteien, da seien gelegentliche Profilierungen normal.
Scholz bleibt sich treu. Er kennt das Diktum: Ein Politiker muss nicht alles sagen, was er weiß, aber was er sagt, muss stimmen. Daraus erklärt sich manche Schmallippigkeit. Sein politischer Kompass zeigt in die richtige Richtung. Handwerklich umsetzen kann er seine Vorhaben in dieser schwierigen Regierungskonstellation jedoch nur durch beharrliche Moderation.

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