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Ein Paradies für Taucher - das Rote Meer ist ein beliebter Auflugsort in Ägypten.

© Sergey Dolzhenko/dpa

Sommerferien: Wie sicher ist Urlaub in Krisengebieten?

Sonne, Wasser, Hotel – das sind für viele die entscheidenden Faktoren in den Sommerferien. Und wie steht’s mit der Sicherheit in Zeiten des Terrors und der Krisen? Sechs Tagesspiegel-Korrespondenten geben Auskunft über ihre jeweilige Wahlheimat.

Ägypten

Schon der griechische Historiker Herodot vor 2500 Jahren schwärmte von Ägypten und pries das Land als ein Geschenk des Nils. Seit Menschengedenken sorgt der weltberühmte Fluss für Leben und Fruchtbarkeit. In seinem grünen Tal leben 95 Prozent der heute 90 Millionen Ägypter. Kein anderes Land der Welt – abgesehen von China – kann auf eine solch imposante Kulturgeschichte von mehr als fünf Jahrtausenden zurückblicken. Das pharaonische, das christlich-koptische und das islamische Erbe – sie alle prägen das moderne Gesicht Ägyptens.

Das Land am Nil mit seinen Stränden und einzigartigen Wüstenlandschaften ist von der Natur reich gesegnet. Bis heute gehört es zu den beliebtesten deutschen Urlaubszielen im Orient, auch wenn der Reiseverkehr seit dem Arabischen Frühling spürbar eingebrochen ist. Um ihre Passagiere einzustimmen, fliegen Lufthansa-Kapitäne beim Anflug auf Kairo schon mal gerne einen Bogen über die Pyramiden am Stadtrand.

Deutsche sind gern gesehen

Wer baden und an den Korallenriffen schnorcheln will, lässt sich per Charterjet direkt ans Rote Meer bringen – nach Hurghada, Marsa Alam oder Scharm el-Scheich. Deutsche sind in Ägypten gern gesehen.Anders als Franzosen und Engländer haben sie nie als Kolonialherren am Nil geherrscht. Das hebt bis heute ihr Ansehen in den Augen der Einheimischen. Für die chaotisch-lebensfrohen Ägypter sind die bleichen Besucher aus Europas Norden bewunderter Inbegriff von Zuverlässigkeit, Ordnung, Fleiß und Wohlstand.

Ein Land, das nur Sonne kennt, so wirbt Ägypten für sich. Es regnet praktisch nie. Das ganze Jahr herrscht strahlendes Wetter, auch wenn das Thermometer im Sommer schon mal über 40 Grad steigt. So viel Licht und Wärme, das färbt ab auf die Mentalität der Menschen. Sie sind fast immer freundlich, gut gelaunt, zu einem kleinen Schwätzchen oder Scherz aufgelegt. Ägypter sind ein humorvolles Volk, nur mit dem Lärm und dem Müll nehmen sie es nicht so genau. Ihre Metropole Kairo ist die schmutzigste Stadt des ganzen Orients, Autofahren ohne ständiges Hupen ist völlig undenkbar.

Millionen werden jeden Morgen um vier Uhr aus ihrem Schlaf gerissen, wenn die lokalen Muezzine mit 130 Dezibel ihr "Beten ist schöner als Schlafen" durch die Wohnstraßen plärren. Mindestens 4000 Moscheen beherbergt allein die ägyptische Hauptstadt plus 50.000 Minigebetsräume, Zawayas genannt. Die Lautsprecher auf den Dächern sind bisweilen größer als die frommen Garagenmoscheen im Erdgeschoss, die dem Hauseigentümer ewigen Lohn im Himmel und einen prächtigen Steuervorteil auf Erden bescheren.

In die Moschee? Schuhe ausziehen!

Ägypter sind stolz auf ihre Toleranz und Weltoffenheit. Wer Alkohol trinken oder Bauchtanz erleben will, braucht sich in Kairo oder Alexandria nicht zu verstecken. Auch das Baden im Meer im Bikini ist kein Problem – allerdings in der Regel nur in den Strandanlagen der Hotels. Die Nase rümpfen Ägypter nur, wenn Frauen in Shorts oder Männer in Unterhemden durch Straßen und Tempel flanieren.

Eine Moschee sollte man niemals leicht bekleidet betreten – und immer vorher die Schuhe ausziehen. Respekt und Fingerspitzengefühl in Fragen der Religion wird bei arabischen Muslimen dankbar registriert. Jemanden zu grüßen und sich ausführlich nach dem Befinden der ganzen Familie zu erkundigen, gilt als selbstverständlich.

Körperliche Distanz - Fehlanzeige

Andererseits halten Ägypter für westlichen Geschmack bisweilen nicht genügend körperliche Distanz. Manche drängen sich einem auf oder drängeln sich ruppig vor. Auch sexuelle Belästigungen in Bussen, auf der Straße oder in der Metro sind leider recht häufig. "Ich kenne Sie aus dem Hotel" – wer so angesprochen wird, sollte misstrauisch reagieren. Nepper und Schlepper gibt es in Ägypten zuhauf. Eine Plage sind sie vor allem in der Königsstadt Luxor in Oberägypten, wo die Stadtverwaltung kürzlich strikte Benimmregeln erlassen hat.

Seitdem haben alle Geschäfte auf dem Andenkenmarkt ein Schild an der Tür – "hier keine Anmache". Trotzdem stürzen sich die Verkäufer sofort auf jeden Reisenden, der sich nähert. Seinen neuesten Lockruf hat dem arglosen Turbanträger wohl ein deutscher Spaßvogel beigebracht: "Ich bin kein Schlawiner und kein Arschloch", deklamiert er stolz. Wer kann sich da als Kunde schon verweigern. Martin Gehlen

Russland

Endlose Weiten: Die Passagiere der Transsib erleben die Ruhe der Taiga.
Endlose Weiten: Die Passagiere der Transsib erleben die Ruhe der Taiga.

© picture-alliance

Hinter der nächsten Flussbiegung werden sie auftauchen, hinter der übernächsten ganz bestimmt: die rot bemalten, mit Schnitzwerk kunstvoll verzierten Pirogen von Stenka Rasin, eine Art russischer Klaus Störtebeker, der Mitte des 17. Jahrhunderts Vater Don und Mutter Wolga kontrollierte, über die Kaspi-See schipperte und das, was er in Gilan, am südlichen, iranischen Ufer erbeutete, zuhause an die Armen verteilte. Die wertvollste Trophäe – eine persische Prinzessin – soll er der Wolga geopfert haben.

Es gibt einen auch ins Deutsche übersetzten Roman dazu und ein Lied, das der voran paddelnde Fremdenführer bis zur letzten Strophe vorträgt. Er ist bärtig wie der Kosaken-Ataman, heißt auch so – Stepan – und kann Geschichte so packend erzählen, als sei er selbst mit dabei gewesen. Vor allem aber: Er kennt sich auch in dem Wasser-Labyrinth mindestens so gut aus wie sein berühmter Namensvetter.

Wir sind mit Kanus im Wolga-Delta unterwegs. Südlich von Astrach an teilt sich Europas längster Fluss in unzählige Arme. Urwald und mannshohes Schilf säumen die Ufer, auf dem stillen dunklen Wasser schwimmen im Sommer Lotosblumen der Kaspi-See entgegen. Im Frühjahr und im Herbst machen im Röhricht tausende Zugvögel Station. Hin und wieder öffnet sich eine Lichtung mit Heuschobern und einem einsamen Gehöft. In einem davon machen wir Rast. Es gibt eiskalten Kefir, Brot, das die Hausfrau gerade gebacken hat, frische Himbeeren, selbst geräucherten Stör und als Hauptgericht schwarzen Kaviar. Er kommt mit Pellkartoffeln und saurer Sahne auf den Tisch.

Köstlichkeiten auf dem Markt

Okay: Wir haben Vollpension gebucht. Doch nirgendwo und niemals wieder war ich Russland so nahe wie im Wolgadelta bei einem viel zu kurzen Kurzurlaub. Auch seine Bilder rollen vor meinem inneren Auge ab und stimmen mich nachsichtig, wenn ich wieder mal mit meinem Gastland hadere. Da ist der Markt von Astrachan, wo Russen, Kasachen, Tataren und Armenier – jeder in seiner Sprache – Köstlichkeiten anpreisen, die jedem europäischen Supermarktkunden das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen: zuckersüße Melonen oder Tomaten groß wie Kindsköpfe, bis zum Rand vollgesogen mit der weißen Sonne der Wermut-Steppe. Kosten ist nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht.

Und da ist der Kreml, so alt wie die Stadt. Iwan der Schreckliche ließ sie aus weißem Stein bauen, als er Mitte des 16. Jahrhunderts auf dem Weg zum Kaukasus die Tataren-Khanate von Kasan und Astrachan eroberte. Deren Herrscher hatten mit Holz gebaut, was bei dem Angriff wie Zunder brannte. Denkmäler aus vorrussischer Zeit gibt es in Astrachan daher nicht mehr. Leider.

Eine hölzerne Stadt war auch Sarai, wo sich in der Mongolenzeit russische Fürsten von den Herrschern der Goldenen Horde im Amt bestätigen lassen mussten. Archäologen haben vor allem Reste von Grundmauern und den oft kaum noch erkennbaren Verlauf von Straßen freigelegt. Wer über eine gewisse historische Fantasie verfügt oder einen Guide wie Stepan hat, kommt dennoch voll auf seine Kosten

Kreuzfahrt auf der Kaspi-See

Und wem Aktiv-Urlaub zu anstrengend ist, der kann mit einem mehr oder minder luxuriösen schwimmenden Hotel Europas längsten Fluss hinauf- oder hinunterschippern. Künftig sollen Touristen sogar bei einer Kreuzfahrt auf der Kaspi-See alle fünf Anrainer besuchen können. Darunter auch Iran. Auf dem internationalen Tourismusmarkt derzeit eine unterbewertete Aktie wie Russland.

Auf dem Travel and Tourism Competitiveness Index (TTCI), der die Wettbewerbsfähigkeit in 141 Staaten weltweit abbildet, steht Russland, was kulturelle und historische Sehenswürdigkeiten angeht, derzeit auf Platz 21, bei Naturschönheiten an 34. Stelle. Doch ganze 18 Millionen ausländische Touristen kamen 2014. Und die meisten arbeiteten die Highlights ab: Moskau, St. Petersburg. Das Wolgadelta oder das hinreißend schöne Dagestan sind sogar für die Lonely-Planet-Community noch ein Geheimtipp.

Doch gute russische Reiseveranstalter wie Intourist mit 85 Jahren Erfahrung bei Ausländerbetreuung bieten inzwischen auch maßgeschneiderte Touren abseits der ausgetretenen Pfade, helfen Unentschlossenen bei der Planung und beim Erhalt eines Einreise-Visums. Die Formalitäten dazu sind die eigentliche Herausforderung für Individual-Touristen. Wer die Hürden nimmt, wird reich belohnt. Sparfüchse derzeit sogar im Wortsinn: Der russische Rubel hat gegenüber dem Euro im vergangenen Jahr gut ein Drittel an Wert verloren. Elke Windisch

Israel

Tolerant: Tel Aviv ist ein Anziehungspunkt für Schwule und Lesben aus aller Welt.
Tolerant: Tel Aviv ist ein Anziehungspunkt für Schwule und Lesben aus aller Welt.

© Gil Cohen-Magen/AFP

Nach dem kriegerischen Sommer 2014 sind die Touristen weitgehend ausgeblieben, die Einheimischen fliegen in Rekordmengen ins Ausland, die cleveren Jüngeren sind ohnehin zu Zehntausenden nach Berlin ausgewandert: Israel ist zwar nicht leer, aber Platz hat man mehr denn je.

Einmalige Attraktionen gibt’s auch: Kirschenpflücken auf den Golanhöhen, keine hundert Meter von der syrischen Grenze entfernt, begleitet vom entfernten Kanonendonner und in Sichtweite der Rauch- und Staubwolken der Einschläge. Kein Witz, sondern spannende und absolut ungefährliche Realität. Die Begeisterung der ausländischen Kriegszuschauer ist kaum zu überbieten.

Drei Meere

Wer sich danach abkühlen will, sollte vom Höhenzug runter in den See Genezareth fahren oder noch besser in einem der drei Meere baden gehen, die Israel einzigartigerweise anbietet: Rotes und Totes Meer, und natürlich die hunderte Kilometer lange Mittelmeerküste.

Die engen Gassen der antiken Altstadt der ehemaligen Hafenstadt Akko, deren Eroberung selbst einem Napoleon nicht gelang, bieten Abkühlung, Netanja original französische Atmosphäre: on parle francais und genießt Patisserie.

Wenn man schon beim Essen ist. Die israelische Küche hat sich erfreulich entwickelt. Hervorragende Restaurants sind keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Mutig und gekonnt werden verschiedenste Küchenstile gemischt, nur beim "Italiener" beschränkt man sich leider meist auf Pizza und Pasta.

Allerdings: Auf den Magen schlagen einem die vielfach horrenden Preise, wie Israel auch allgemein leider zu einem Hochpreisland verkommen ist. Trotzdem, die unzähligen Brauereien, hierzulande Bier-Boutiquen genannt, bieten für’s Geld Hochwertiges, wobei die Israelis jetzt gerade den Cidre entdeckt haben.

Tel Aviv: Stadt ohne Pause

Faszinierend der Gegensatz der größten Städte. Obwohl Hafenstadt bildet Haifa, das viele an San Francisco mit seinen steilen Hügeln erinnert, einen ruhigen Anker in einem überaus lebensfrohen Land. Die quirlige Metropole Tel Aviv bezeichnet sich selbst als "Stadt ohne Pause" und gilt als Welt-Hauptstadt für Schwule und Lesben, mit einem grandiosen und vielfältigen kulturellen Angebot.

Das Welt-Kultur-Erbe "Weiße Stadt" mit der größten Bauhaus-Ansammlung weltweit interessiert nicht nur Architektur-Fans ebenso wie die Uni, deren Campus eigentlich eine Architektur-Ausstellung ist. Übrigens finden immer wieder Hausbesuch-Tage statt, an denen man sich in allen möglichen interessanten Gebäuden umsehen und viel über Land und Leute, Style und Geschichte lernen kann.

Fanatismus in Jerusalem

Ganz anders Jerusalem. Hier wird entschleunigt. Die "normalen" Bewohner scheinen sich der Bedeutung des Zentrums der drei monotheistischen Religionen sehr wohl bewusst. Die religiösen Ultras hingegen – Juden, Muslime und Christen – bringen zwar viel Farbe in die weitaus größte, aber irgendwie nicht so sehr israelische Stadt. Aber ihr Fanatismus stört auf die Dauer. Genauso wie die fürchterliche, neun Meter hohe Mauer, die die Stadt vom palästinensischen Westjordanland trennt und vor allem beim Pilgerstädtchen Bethlehem samt Geburtskirche abschreckend wirkt.

Neben Altstadt mit der Grabeskirche, Tempelberg mit der heiligen Al-Aksa-Moschee, und dem Felsendom mit seiner echt goldenen Kuppel, sowie der Klagemauer sollte man ein einzigartiges Hotel und Restaurant nicht auslassen: das American Colony. Peter Ustinov spendete die große Palme im herrlichen Garten als Ersatz für diejenige, die sein Onkel zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschenkt hatte.

Hier treffen nicht nur israelische und palästinensische Intellektuelle, Künstler und Politiker (während der Intifada auch Kommandanten der beiden sich bekämpfenden Seiten) zusammen. Hier trifft man auch ausländische Prominenz – wie bei einem meiner letzten Besuche, als ich Jimmy Carter den Vortritt gewährte und mir Tony Blair den schattigen Sitzplatz vor der Nase wegschnappte. Charles A. Landsmann

Tunesien

In Tunesien wird nach dem jüngsten Anschlag unter Polizeischutz gebadet.
In Tunesien wird nach dem jüngsten Anschlag unter Polizeischutz gebadet.

© Mohamed Messara/dpa

Tunesien hat Traumhaftes zu bieten: weiße Sandstrände mit Palmen, türkisfarbenes Meer mit Badewannen-Temperatur. Orientalisches Ambiente in den Medinas, in deren Gassen es herrlich nach Gewürzen duftet. Bezaubernde Oasen in der Wüste und reichhaltige Kulturschätze wie etwa die berühmten Ruinen des antiken Karthagos vor den Toren von Tunis.

Das alles zu Preisen, die in der Regel niedriger sind als jene auf Europas beliebtester Urlaubsinsel Mallorca. "Günstig in die Sonne", wirbt ein großer internationaler Reiseveranstalter für Tunesien-Reisen. Doch auch derartige Lockrufe helfen derzeit kaum, westliche Urlauber anzuziehen. "Nur ganz wenige wollen derzeit noch nach Tunesien fahren", heißt es unisono in den Reisebüros.

Der Terror hat den Tourismus verdrängt. Gleich zwei schwere Anschläge islamistischer Terroristen auf westliche Urlauber ließen die Ferienindustrie zusammenbrechen: Am 18. März erschoss ein Terrorkommando vor und im berühmten Bardo-Nationalmuseum in der Hauptstadt Tunis 21 ausländische Urlauber. Am 26. Juni ermordete ein Terrorist mit einer Kalaschnikow am Strand der Urlaubsregion Sousse 38 europäische Feriengäste.

Tausende Urlauber stornierten

Danach verhängte die Regierung den Ausnahmezustand. Und eröffnete die Jagd auf radikale Prediger, welche in Hetzreden die westlichen Touristen dafür verantwortlich machten, dass sich "Laster und Sünden" in dem islamischen Land ausbreiten und dort "gewalttätige Reaktionen" hervorrufen.

Bereits seit dem ersten Terrorschock im März meiden Kreuzfahrtschiffe das Land. Nach dem zweiten Blutbad im Juni brach der tunesische Reisemarkt vollends zusammen. Tausende Urlauber stornierten ihre Reisen. Zumal Großbritannien, das in Sousse 30 Todesopfer zu beklagen hatte, ausdrücklich vor Reisen warnte, weil "weitere Terrorattacken hochwahrscheinlich sind". Deutschland, das zwei tote Staatsbürger in Sousse betrauerte, ging nicht ganz so weit. Rief aber dazu auf, "im ganzen Land besondere Vorsicht walten zu lassen".

Aber waren die Urlauber, die am Strand niedergeschossen wurden, unvorsichtig? Kann so eine Horrortat nicht überall in der Welt geschehen? Diese Frage muss wohl jeder für sich selbst beantworten. Tatsache ist jedenfalls, dass nun mitten in der Sommerhochsaison in vielen Hotels in den Ferienoasen Sousse, Monastir, Hammamet oder auf der Halbinsel Djerba gähnende Leere herrscht. Etliche mussten bereits schließen und ihr Personal entlassen. "Die Aussichten sind schwarz", klagt der Präsident des nationalen Hotelverbands, Radhouane Ben Salah.

Mehr als sechs Millionen ausländische Urlauber kamen 2014 noch – die Hälfte Europäer. Franzosen, Deutsche und Briten flogen besonders auf Tunesien. "Jetzt ist das Geschäft tot", klagen Touristenführer in der Altstadt von Sousse.

Ohne Tourismus bricht die Wirtschaft ein

Eine Katastrophe, stöhnt Tourismusministerin Selma Elluni Rekik. "Wenn der Tourismussektor einbricht, bricht die Wirtschaft ein." Dann gebe es noch mehr Armut. Ein teuflischer Kreislauf: "Der Terrorismus erklärt sich durch die Armut der Jugend, die keine Arbeit findet", warnt Staatspräsident Béji Caid Essebsi.

Tunesiens Tourismus macht mehr als 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Er ist wichtigster Jobmotor, Devisenbringer und Hoffnungsträger jenes Musterlands des arabischen Frühlings, das es im Gegensatz zu seinen im Chaos versinkenden Nachbarn Ägypten und Libyen schaffte, demokratische Reformen in Gang zu setzen.

Nun soll ein Krisenpaket den Tourismus wieder ankurbeln: Die im Herbst 2014 eingeführte Urlaubstaxe, die „Ausreisesteuer“ hieß und 30 Dinar (rund 14 Euro) pro Kopf betrug, wurde eilends wieder abgeschafft; die Mehrwertsteuer für die Hotelbranche gekappt. Bewaffnete Polizisten mit Maschinenpistolen patrouillieren an Stränden, in Hotels und vor Sehenswürdigkeiten.

Während Tunesiens Tourismusindustrie ums Überleben kämpft, reiben sich Spaniens Hoteliers auf der anderen Seite des Mittelmeers die Hände. Die Spanier sind Krisengewinner: Statt Tunesien wird Teneriffa gebucht. Oder auch Mallorca, das wie noch nie boomt und diesen Sommer aus allen Nähten platzt. Angesichts der Terrorsorge in Nordafrika fällt die aktuelle Werbekampagne der spanischen Regierung offenbar auf fruchtbaren Boden: "Genieße Deine Ferien in totaler Sicherheit", prangt auf Plakaten in vielen spanischen Urlaubsorten. Ralph Schulze

Türkei

Istanbul mit seinen Sehenswürdigkeiten wie der Hagia Sophia hat das ganze Jahr über Saison.
Istanbul mit seinen Sehenswürdigkeiten wie der Hagia Sophia hat das ganze Jahr über Saison.

© imago

Im Südosten ein grausamer Bürgerkrieg in Syrien, im Westen der Wirtschaftskollaps in Griechenland, dazu Angriffe von Rechtsradikalen auf Touristen und eine Regierung, die nach Meinung ihrer Gegner immer stärkere autoritäre Tendenzen zeigt – einige Schlagzeilen, mit denen die Türkei und ihre Region in jüngster Zeit auf sich aufmerksam gemacht haben, sind nicht eben günstig für ein populäres Urlaubsziel. Wenn an der türkischen Grenze die Extremisten vom "Islamischen Staat" (IS) aufmarschieren, könnte man annehmen, dass dies die Leute abschreckt. Tatsächlich sinken die Besucherzahlen. Zumindest bei den Urlaubern aus Deutschland ist das jedoch anders. Und das hat gute Gründe.

In den vergangenen Jahren hatten sich die Türken an stetig wachsende Touristenzahlen gewöhnt. Mit knapp 37 Millionen Besuchern brachte das vergangene Jahr nach einer erneuten Steigerung um 5,5 Prozent einen neuen Rekord. Größte nationale Gruppe blieben die Deutschen mit rund 5,25 Millionen Touristen. Neben der Metropole Istanbul sind vor allem sonnensichere Badeorte wie Antalya die Hauptziele der Besucher. All-Inclusive-Ferienanlagen an der türkischen Südküste gehören zu den besonders preiswerten Reisezielen.

Nicht nur eitel Sonnenschein

Doch trotz des schönen Wetters und der günstigen Preise ist nicht alles eitel Sonnenschein. Vor wenigen Wochen attackierten nationalistische Demonstranten vor dem Istanbuler Topkapi-Palast, einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes, eine Besuchergruppe aus Korea: Die Rechtsradikalen protestierten gegen den Druck der chinesischen Behörden auf das muslimische Turkvolk der Uiguren in der Provinz Xinjiang und hielten die Koreaner für Chinesen. Die beiden Nationen seien ja auch kaum auseinanderzuhalten, kommentierte Nationalistenchef Devlet Bahceli. Schließlich hätten Bürger beider Länder "Schlitzaugen".

Rassistische Sprüche wie dieser lassen Tourismusmanager und Politiker um das Image der Türkei fürchten, die stolz ist auf ihre traditionelle Gastfreundschaft. Alle Besucher seien willkommen und stünden unter dem Schutz der Türkei, sagte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Ob das potenzielle Besucher aus China beruhigen kann, bleibt abzuwarten.

Die Russen bleiben weg

Erdogan selbst war ebenfalls für die ein oder andere Negativ-Schlagzeile in jüngster Zeit verantwortlich. Druck auf Medien und auf friedliche Demonstranten deuten nach Ansicht von Kritikern darauf hin, dass sich die Türkei von Europa und den Werten der EU abwendet. Bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten machten unbeteiligte Touristen in Istanbul, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren, hin und wieder unliebsame Bekanntschaft mit Tränengas und Wasserwerfern.

Mehr als Angst vor Unruhen und Befürchtungen wegen des Krieges in Syrien drückt etwas anderes die diesjährigen Besucherzahlen. Für den Rückgang – allein Antalya verzeichnete im ersten Halbjahr ein Minus von 9,4 Prozent bei der Zahl der ankommenden ausländischen Touristen – ist vor allem die Wirtschaftskrise in Russland im Gefolge der Ukraine-Sanktionen verantwortlich.

Die Russen hatten in den vergangenen Jahren die Türkei für sich entdeckt; die Aufhebung der Visumspflicht erleichterte ihnen die Urlaubsentscheidung zusätzlich. Zeitweise überholten russische Urlauber sogar die Deutschen als größte ausländische Urlaubergruppe. Damit ist es vorbei. In Antalya brach die Zahl der russischen Touristen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um fast ein Drittel ein.

Treue Deutsche

Die Deutschen bleiben der Türkei dagegen treu und schicken wie jedes Jahr mehrere Millionen Urlauber an die Sonnenküsten des Landes. Die Zahl der deutschen Besucher steigt in diesem Jahr sogar noch einmal kräftig an – nach Einschätzung der Tourismusbranche sind darunter viele Umbucher, die ursprünglich nach Griechenland wollten. Thomas Seibert

Griechenland

Auf den griechischen Inseln, hier Kos, merkt man als Urlauber kaum etwas von der Krise.
Auf den griechischen Inseln, hier Kos, merkt man als Urlauber kaum etwas von der Krise.

© Santi Palacios/dpa

Nun mal langsam, dachte ich. Es stimmt: Die Deutschen waren in Griechenland schon mal besser angesehen. Früher waren sie die beliebteste Ausländernation, heute sind sie eine der unbeliebtesten. Noch schlechter sind die Griechen nur auf ihren Erbfeind zu sprechen, die Türken. Früher dachten die Griechen beim Namen Siemens an Waschmaschinen und Staubsauger. Jetzt denken sie an Schmiergelder. Und Wolfgang Schäuble: Der ist für viele Griechen tatsächlich ein rotes Tuch, seit er fast jeden Tag predigt, das Land solle sich eine Auszeit vom Euro nehmen.

Die griechischen Regierungen mögen in den vergangenen Jahren viel versäumt und in den Sand gesetzt haben. Aber die Menschen haben enorme Opfer gebracht, um am Euro festzuhalten: Die Sparprogramme ließen die Wirtschaft um ein Viertel schrumpfen, die Durchschnittseinkommen gingen um ein Drittel zurück, die Arbeitslosenquote stieg auf 27 Prozent. Dass sie von vielen deutschen Politikern und Boulevardmedien als Faulenzer und Schmarotzer dargestellt werden, geht den Griechen verständlicherweise auf die Nerven.

Herzlicher Empfang

Eigentlich mündet in Griechenland jede Unterhaltung früher oder später in das Thema Politik – und wird damit kontrovers. Das sollte man als Deutscher nicht persönlich nehmen, die Griechen lieben solche Debatten. Aber ich habe noch nie erlebt, dass deutsche Touristen wegen der Politik ihrer Regierung weniger herzlich empfangen oder gar abweisend behandelt werden. Erstens ist die sprichwörtliche griechische Gastfreundschaft eben nicht nur sprichwörtlich, sondern real.

Zweitens sind die griechischen Hoteliers, Tavernenwirte und Barkeeper viel zu geschäftstüchtig, um es sich mit ihren Gästen zu verderben. Und die Deutschen gehören nun mal zu den besten Kunden: Mit 2,2 Millionen Besuchern stellten sie im vergangenen Jahr die meisten ausländischen Urlauber nach den Briten (2,5 Millionen). Auch in diesem Jahr zieht es die Deutschen in großer Zahl nach Hellas: "Wir hatten 2014 bereits ein absolutes Griechenland-Rekordjahr und liegen in diesem Jahr noch leicht darüber", heißt es bei Deutschlands größtem Reiseveranstalter TUI.

3000 Inseln

Griechenlands größtes touristisches Kapital sind neben den antiken Stätten die Inseln. Mehr als 3000 sind es, davon etwa 150 ständig oder zeitweise bewohnt. 15.000 Kilometer Küstenlinie: Kein Land am Mittelmeer hat mehr Strände. Ein Inselkosmos von erstaunlicher Vielgestaltigkeit: üppige Flora auf den ionischen Inseln, karger Fels auf den Kykladen, wo zwischen Juni und September selten ein Regentropfen fällt. Mondäne Inseln wie Mykonos oder Santorin, abgelegene Eilande mit fast menschenleeren Traumstränden wie Gavdos oder Elafonisi.

Und Kos – natürlich. Gestern Abend riefen mich meine Bekannten an. Sie waren gerade angekommen. Flug pünktlich, Transfer ok, Hotel prima. "Wir sitzen hier jetzt gerade auf der Terrasse und nehmen einen Drink." Es gebe Palmen und einen wunderbaren Sandstrand, das Abendessen sei sehr gut gewesen. "Hier gibt es überhaupt keine Einschränkungen", berichtete mein Bekannter erstaunt. Und Flüchtlinge? "Noch keine gesehen." Nur eines hatte er zu bemängeln: "Hier wird es viel früher dunkel als bei uns!" Tja, Griechenland liegt nun mal in Südosteuropa. Gerd Höhler

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