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Fragen, antworten: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Regierungssprecher Steffen Seibert bei der letzten Pressekonferenz vor der Sommerpause.

© imago/photothek

Sommerpressekonferenz: Wie Merkel im Flüchtlingsstreit den Ton setzt

Die Kanzlerin beklagt im Gefecht mit der CSU und Seehofer die Verwahrlosung der Sprache, hadert mit Alleingängen à la Trump - und fährt in den Urlaub.

Von Robert Birnbaum

„Nein!“, sagt Angela Merkel, „neinneinnein!“ Dass da bloß jetzt nichts Falsches hängenbleibt: Nein, sie hat in den wilden Wochen mit der CSU keine Sekunde an Rücktritt gedacht. „Wenn ich mitten in einer wichtigen Auseinandersetzung stehe, muss ich ja meine Kräfte darauf konzentrieren!“

Sie hätte natürlich auch antworten können: Das wäre ja noch schöner – Horst Seehofer zettelt Krawall an, und ich soll gehen? Doch so etwas denkt Merkel höchstens und lässt es ganz bestimmt nicht den voll besetzten Saal der Bundespressekonferenz wissen. In der traditionellen Sommer-Pressekonferenz der Kanzlerin ist der Flüchtlingszoff naturgemäß das zentrale innenpolitische Thema.

Merkel hat sich sichtlich vorgenommen, den Fall abzuhaken, bevor alle in Ferien fahren. Darauf zielt schon ihr Eingangsstatement ab. Regierungssprecher Steffen Seibert, der jetzt neben ihr sitzt, hatte am Mittwoch an gleicher Stelle ausführlich über die Beschlüsse des Bundeskabinetts berichtet.

"Prozess der Verwahrlosung"

Merkel referiert sie ungerührt nochmal, diesmal programmatisch aufgeladen: „Teilhabe für alle“, die Strategie für Künstliche Intelligenz – Beispiele für „Erneuerung und Zusammenhalt“ seien das, „DIE großen Themen“ dieser Koalition. Und die seien leider etwas kurz gekommen.

Was den Flüchtlingsstreit direkt angeht, hat sich Merkel eine doppelte Formel zurechtgelegt. Erstens: Er drehte sich keineswegs um Kleinkram, sondern um eine „sehr grundsätzliche Frage“. Zweitens, Art und Tonfall – unmöglich. „Die Tonalität war oft sehr schroff“, rügt die Kanzlerin.

„Ich persönlich wende mich gegen bestimmte Erosionen von Sprache.“ Ein regelrechter „Prozess der Verwahrlosung“ drohe im öffentlichen Diskurs, auch getrieben durch die sozialen Netzwerke. Um so mehr achte sie auf ihre Worte. Denn wie einer rede, so denke und handle er auch.

Dass durch den Krach das Vertrauen in Union und Regierung insgesamt gelitten hat – ebenfalls keine Frage: „Ich glaube, dass das so ist.“ Aber bei aller Kritik am Stil – dass man sich gestritten hat, dem kann die CDU-Chefin im Nachhinein durchaus etwas abgewinnen.

Absage an Alleingänge

Eine „fundamentale Frage“ sei geklärt worden, das habe die Auseinandersetzung gelohnt. Die Frage nämlich habe gelautet, wie Deutschland in Europa und der Welt Politik macht: Weiter wie bisher, multilateral, auf Kompromiss und Ausgleich bedacht und mit Rücksicht auf alle Partner – oder im Alleingang.

Merkel hebt das sogar auf historisches Niveau. Jetzt, wo die Zeitzeugen des letzten großen europäischen Krieges, die Väter des heutigen Europas allmählich sterben, müssten die Nachkommen zeigen, dass auch sie aus der Geschichte gelernt hätten.

„Machen wir jetzt aus Verzweiflung, dass manches so langsam geht, auch unser eigenes Ding?“ fragt die Regierungschefin rhetorisch. Darin klingt Donald Trump nach. Der hatte beim Nato-Gipfel gewütet, die USA würden demnächst „ihr eigenes Ding“ machen, wenn die Europäer nicht mehr zahlten.

Aber Seehofer auf eine Stufe mit dem polternden US-Präsidenten stellen will Merkel denn doch nicht. Schließlich hat sich der CSU-Chef in seiner Doppelfunktion als Bundesinnenminister am Ende fügen müssen.

Nachfragen unerwünscht

Das Grundgesetz habe es ganz klug so eingerichtet, dass die Kanzlerin in Grundsatzfragen die Richtlinien bestimme und „dass Minister nur sein kann, wer diese Richtlinien akzeptiert“. Dann könne Zusammenarbeit funktionieren – wenn nicht, dann nicht. Und am Ende habe man ja genau den Weg gefunden, der das weiter möglich mache.

Mehr will sie zum Fall Seehofer nicht sagen. Nachfragen prallen immer an der gleichen Antwort ab: Wir haben uns geeinigt, Punkt. „Im Augenblick arbeite ich gerne mit allen Ministern zusammen.“ Es gab andere Augenblicke, leider auch zu Lasten des Sportsgeistes: „Ich wär’ schon gerne, wenn wir nicht die Diskussion gehabt hätten, zum ersten Spiel nach Russland gefahren.“ Aber Schwamm drüber, erledigt, zumal auch die Mahnung zu angemessener Sprache Wirkung zeigt: „Das haben einige jetzt auch versucht zu beachten“, stellt die CDU-Chefin leicht böswillig fest. „Versucht“, immerhin.

Ungefähr eine halbe Stunde nimmt der Unionsstreit ein, die verbleibende Fragestunde teilen sich Einzelthemen wie die Aufarbeitung der NSU-Morde („nicht abgeschlossen“), die Lage im Kosovo oder Israels neues Staatsbürgerrecht.

Immer wieder Trump

Und natürlich immer wieder Trump. Die Situation in der Welt, sagt Merkel beim Stichwort „Handelskrieg“, sei schon sehr ernst. Zölle schadeten am Ende allen, wie überhaupt die Abkehr von gemeinschaftlichen Lösungen zu nichts Gutem führe: „Die große Finanzkrise konnten wir überhaupt nur bewältigen, weil wir multilateral und nicht unilateral gehandelt haben.“

Die Nato funktioniere natürlich auch nur, wenn die Beistandsgarantie für alle gelte. Trump hatte sich da beim Neumitglied Montenegro nicht so recht festlegen wollen. Da stellt sich die „sehr grundsätzliche Frage“ eines kleinen deutschen Streits im großen Weltmaßstab wieder.

Wie sie mit einem unzuverlässigen Schwadroneur wie Trump überhaupt noch umgehen kann? Weiter reden. Wie sie das Problem der Flüchtlingsverteilung in Europa lösen will? Weiter reden. Ob sie wirklich bis 2021 im Amt bleiben will? „Zu tun ist genug.“ Ob sie nicht langsam erschöpft sei? „Ich klage nicht“, sagt Merkel. „Ich mein’, wir leben ja auch in spannenden Zeiten!“

Aber die Aussicht, ab diesem Wochenende ein paar Tage das Büro nicht zu sehen und morgens auch mal länger zu schlafen – die Aussicht findet sie andererseits durchaus in Ordnung. Mit wem sie denn lieber in Ferien fahren würde: mit Trump, dem Russen Wladimir Putin oder Seehofer? Die Antwort kommt ohne Zögern: „Urlaub ist Urlaub!“

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