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Rollenbilder für Berlin? Hendrik Wüst (CDU) und Mona Neubaur (Grüne) verhandeln über eine Regierung in NRW.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Sondierungsgespräche in NRW: Das Projekt Schwarz-Grün lebt plötzlich wieder

Gelingen die Verhandlungen in NRW, wird eine schwarz-grüne Koalition auch in Berlin zur Machtoption. Für die Grünen eine Drahtseil-Kommunikation. Ein Kommentar.

Natürlich spielt Ricarda Lang die bundespolitische Bedeutung der Sondierungsgespräche zwischen CDU und Grünen in Nordrhein-Westfalen herunter. „Hier geht es nicht um die Zukunft der Bundesregierung“, sagt die Grünen-Vorsitzende am Montag.

Doch nicht umsonst gilt die NRW-Wahl als kleine Bundestagswahl. Die Ausschläge der Ereignisse von Düsseldorf waren aber immer auch in Berlin zu spüren – so auch jetzt wieder. Mit Ministerpräsident Hendrik Wüst etabliert sich ein aufstrebender Politiker in der ersten Reihe der CDU, im Bundesrat wächst der Einfluss der Grünen weiter, SPD und FDP müssen ihre Wunden lecken.

Vor allem aber erlebt das Projekt Schwarz-Grün, an dem vor der vergangenen Bundestagswahl so viel gearbeitet worden war, neuen Aufwind. Nicht zuletzt, weil Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther am Montagabend mitteilte, dass auch seine CDU mit den Grünen koalieren will.

Gelingen die Verhandlungen in Düsseldorf und Kiel, werden schon bald rund 38 Millionen Menschen in NRW, Schleswig-Holstein, Hessen und Baden-Württemberg von schwarz-grünen beziehungsweise grün-schwarzen Landesregierungen vertreten. Die Bündnisse zwischen Grünen und Konservativen haben sich als überraschend stabil herausgestellt.

In Hessen regieren beide Parteien bereits in der zweiten Legislatur zusammen und obwohl die Koalition nur eine Stimme Mehrheit hat, gelingt das relativ reibungslos. Auch in Baden-Württemberg hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf eine Fortsetzung der Kiwi-Koalition gedrängt. Nach anfänglichem Zögern ist nun selbst der linke Parteiflügel im Ländle, der sich für eine Ampel stark gemacht hatte, mit dem erneuten Bündnis mit der CDU zufrieden.

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Die Allianz der früheren Feindbilder bietet große Chancen. Beide können in der Regierung ihre Punkte machen. Die CDU kann sich bei den Themen Innere Sicherheit und Wirtschaft profilieren, die Grünen beim Klimaschutz und der sozialen Gerechtigkeit. In der Ampel sind die Rollen weniger klar verteilt. SPD und Grünen gönnen sich wenig, werben beide um die linke Klientel. Die FDP lebt in ständiger Sorge, übergangen zu werden.

Für die Grünen, die sich dauerhaft als dritte Kraft etablieren wollen, ist es jedoch ein Balanceakt. Wollen sie das Projekt Schwarz-Grün (oder andersherum) im Bund als Option behalten, muss die Führung ihre Basis darauf vorbereiten und Gesprächskanäle offenhalten. Gleichzeitig muss sie loyal in der Bundes-Ampel arbeiten. Die Drahtseil-Kommunikation der Grünen-Spitze hat gerade erst begonnen.

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