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Kind im Kriegsgebiet. Die vierjährige Malierin Kadia Sangialiba zwischen Trümmern in Diabaly im Norden Malis.

© dpa

SOS-Kinderdorf in Mali: „Wir bereiten uns auf die Rückkehr vor“

Viele Kinder und ihre Kinderdorfmütter mussten wegen der Kämpfe in Mali das SOS-Kinderdorf verlassen. Nun hofft der Chef der SOS-Kinderdörfer Ibrahima Bane auf die Rückkehr und berichtet im Interview über die Not der Menschen im Land.

Herr Bane, Sie waren gerade in der Stadt Sévaré, wo bis zum Eingreifen französischer Truppen die Frontlinie zwischen dem von Islamisten besetzten Norden und dem Süden Malis verlief. Wie sieht es dort aus?

Nur etwa 60 Kilometer entfernt von unserem Kinderdorf in der Region gab es heftige Kämpfe. Die Menschen dort waren also direkt betroffen. Das Kinderdorf selbst wurde schon 2012 evakuiert, wir unterstützen in der Umgebung aber weiter sehr arme Familien und betreiben eine Schule und einen Kindergarten. Während der Kämpfe mussten wir die Einrichtungen vorübergehend schließen. Die Bevölkerung hat die französische Militärintervention als Befreiung empfunden.

Nach der Befreiung soll es in verschiedenen Städten Übergriffe der malischen Armee gegeben haben …

Regierung und Armee haben das dementiert. Fakt ist, dass es Racheakte der Bevölkerung an Sympathisanten der Islamisten gibt. Es wurden auch Geschäfte von Komplizen der Islamisten geplündert. Das muss man aber auch im Zusammenhang mit der Not der Menschen sehen.

Woran fehlt es konkret?

Das größte Problem im Norden ist derzeit die Lebensmittel- und Wasserknappheit. Viele haben nur eine Mahlzeit am Tag, manche nicht einmal das. Die Bauern können ihre Felder nicht bewirtschaften, auf den Märkten fehlt der Nachschub. Es gibt auch kein Geld, denn die gesamte Wirtschaft ist zum Erliegen gekommen. Händler und Handwerker können nicht arbeiten, die Banken sind geschlossen. Und die meisten Familien haben noch Flüchtlinge aufgenommen.

Was berichten die Flüchtlinge vom Leben unter den Islamisten?

Die Leute wurden gezwungen, ihre traditionelle Lebensweise aufzugeben. Sie durften keine Musik hören, nicht fernsehen, und die Kinder durften nicht Ball spielen. Leute wurden geschlagen, weil sie geraucht haben, Dieben wurden die Füße abgetrennt. In Bamako sind viele Flüchtlinge aus dem Norden mit solchen Verletzungen behandelt worden.

Auch Timbuktu ist gerade befreit worden. Ist die Herrschaft der Islamisten in Mali damit bald Geschichte?

Die Terroristen sind nicht einfach verschwunden. Das waren ja auch nicht alles Ausländer. Viele haben ihre Waffen abgelegt und sind in den befreiten Städten und Dörfern geblieben. Sie könnten nun Sabotageakte planen. Andere haben sich in die Berge weiter im Norden zurückgezogen. Nachdem Mauretanien und Algerien ihre Grenzen dichtgemacht haben, können sie Mali nur schwer verlassen.

Ibrahima Bane ist Direktor der SOS-Kinderdörfer in Mali. Vergangenes Jahr musste die Organisation ein Kinderdorf in Zentralmali räumen, weil die Islamisten immer weiter vorrückten.
Ibrahima Bane ist Direktor der SOS-Kinderdörfer in Mali. Vergangenes Jahr musste die Organisation ein Kinderdorf in Zentralmali räumen, weil die Islamisten immer weiter vorrückten.

© dpa

Inzwischen sind auch Soldaten anderer afrikanischer Staaten in Mali eingetroffen. Greifen sie schon in das Geschehen ein?

Ein Kontingent aus Niger und aus dem Tschad ist in den Norden nach Gao gekommen, um dort Sicherungsaufgaben zu übernehmen, ein Kontingent aus Burkina Faso schützt ein Wasserkraftwerk weiter südlich. Koordiniert wird der Einsatz der Westafrikaner von einem General aus Nigeria. Diese Truppen sind sehr erfahren.

Sind Sie also optimistisch, dass Sie Ihr Kinderdorf bald wieder eröffnen können?

Wir bereiten uns bereits auf die Rückkehr vor. Allerdings warten wir bis nach dem Schuljahr. Im März oder April wollen wir mit Renovierungsarbeiten beginnen, damit die 139 Kinder und ihre Kinderdorfmütter im Juli zurückkehren können.

Das Gespräch führte Ulrike Scheffer.

Ibrahima Bane ist Direktor der SOS-Kinderdörfer in Mali. Vergangenes Jahr musste die Organisation ein Kinderdorf in Zentralmali räumen, weil die Islamisten immer weiter vorrückten.

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