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Politik: Sowohl als auch

Von Hermann Rudolph

Stimmten die Wähler demnächst so ab, wie es die Demoskopen prognostizieren, droht der Bundesrepublik ein Erdbeben, ziemlich weit oben auf der politischen RichterSkala. In Brandenburg, wo in vier Wochen gewählt wird, würde die PDS die stärkste Partei. Bei der gleichzeitigen Wahl in Sachsen wäre sie zweitstärkste Partei, und das möglicherweise bei einem Verlust der das Land bisher auf Kurs haltenden absoluten Mehrheit der CDU. Die SPD ist ohnedies auf dem Weg nach unten. Die Szenarien, die daraus folgten, haben es in sich. In Brandenburg eine dritte rot-rote Regierung. In Sachsen das Schwinden der bisherigen Stabilität. Für den Rest der Republik ein weiteres Aufflammen der Vermischung von Protest und Politik – bis hin zum Spekulieren auf ein Linksbündnis.

Denn das explosive Anwachsen der PDS hängt natürlich damit zusammen, dass keine andere politische Kraft es so versteht, von den aufgerührten Wogen des Unbehagens zu profitieren, die vor allem den Osten überrollen. Sie führt vor, wie man diese Legierung von Aggressivität und Ratlosigkeit nutzt und mit der Kritik an Hartz IV sozusagen das Schmelzfeuer dafür bereitstellt. Es macht dabei nichts, dass sie dort, wo sie mitregiert, das umstrittene Gesetzespaket brav mitträgt. Die doppelte Gangart ist vielmehr das Geheimnis ihres Erfolges: den einen Rächer der Enterbten, den anderen die endlich erreichte Verkörperung von Regierungsfähigkeit. Es geht ihr warm und kalt zugleich aus dem Mund. Kein politisches Virtuosenstück. So steht es im Parteiprogramm.

Wie immer die Wahlen ausgehen, die jetzt so dunkel am Horizont aufziehen: Die Frage nach der Rolle der PDS und dem Verhältnis der anderen Parteien zu ihr wird sich neu stellen. Ihre Zurückstufung in die politische Regionalliga bei der letzten Bundestagswahl war offenbar nicht der Anfang vom Ende. Ihre beiden Regierungsbeteiligungen haben gezeigt, dass sie dort nichts schadet, aber auch eigentlich nichts nützt – irgendwelche substanziellen Impulse, die von ihr ausgingen, kann man jedenfalls in Berlin nicht registrieren. Aber die Zweideutigkeit ihrer Positionen dauert fort, und damit ist vielleicht noch am wenigsten die Ehrung gemeint, die der Parteivorsitzende Lothar Bisky eben ausgerechnet für den früheren KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann zelebrierte. Eher schürt die Bedenkenlosigkeit die Vorbehalte gegen die Partei, mit der sie das Ressentiment des „Sozialraubs“ bedient, ohne auch nur andeutungsweise diskussionswürdige Alternativen zu nennen.

Die politische Landschaft der Bundesrepublik ist unsicher geworden, nicht nur im Osten. Aber dort besteht am ehesten die Gefahr, dass die Verhältnisse – in der alarmierenden Formulierung des brandenburgischen Ministerpräsidenten Platzeck – „ins Rutschen“ kommen, „stimmungsmäßig aus Deutschland raus“, wie er dunkel-mutmaßend hinzugefügt hat. Die neue Stärke der PDS ist aus diesem tektonischen Ab- und Einbrechen herausgewachsen, und leider ist von ihr nicht die Einsicht zu erwarten, dass bei der Lage dieser Republik jeder Partei daran gelegen sein müsste, dieser Entwicklung zu wehren. Stattdessen gibt es auch in der PDS die Neigung, mit dem Gedanken eines ost-westlichen Linksbündnisses zu spielen. Wie man solche Unternehmungen kennt, wird daraus nichts werden. Das ist ein schwacher Trost, denn zumindest die unheilvolle Lust am politischen Zündeln wird es neuerlich anfachen.

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