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Wenige Tage nach seinem Tod wurde die nach ihm benannte Stiftung gegründet. Reichspräsident Friedrich Ebert, hier im Jahr 1920 in Berlin.

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Sozialdemokratischer Thinktank: Eberts Erben müssen kämpfen

Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung muss Millionen sparen, denn die staatlichen Zuschüsse sinken. Im Dezember übernimmt Martin Schulz das Haus.

Von Hans Monath

In viereinhalb Jahren kann die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ihren 100. Geburtstag feiern. Die nach dem ersten Reichspräsidenten benannte Organisation durchlebt keine einfache Zeit. Die Dauerkrise der ihr eng verbundenen SPD trifft auch die älteste politische Stiftung in Deutschland hart. Denn die Höhe der staatlichen Zuwendungen ist gekoppelt an die Wahlergebnisse der Sozialdemokraten – und die wurden im Bund seit dem letzten Wahlkampf Gerhard Schröders vor 15 Jahren kontinuierlich schlechter.

In dieser schwierigen Phase wird Kurt Beck nach acht Jahren Mitte Dezember die Leitung der Stiftung an Martin Schulz übergeben, der nicht nur Präsident des EU-Parlaments und SPD-Kanzlerkandidat war, sondern wie Beck selbst Parteivorsitzender. „Wir sind vorbereitet, wir können trotz Corona eine neue Führung wählen“, versichert Beck. Ende November entscheidet der Vorstand, ob es eine Teilpräsenzveranstaltung in Berlin geben wird oder die Mitgliederversammlung rein virtuell stattfindet.

Ein harter Sparkurs ist schon beschlossen

Glaubt man dem scheidenden Chef, hat er die Bürde harter Spareinschnitte nicht auf seinen Nachfolger abgewälzt. Dass es weniger Geld aus den Etats von Bund und Ländern gibt, wird Ende des Jahres 2022 durchschlagen, weil dann die mittelfristige Finanzplanung ausläuft. „Im Jahr 2023 werden wir das deutlich spüren“, erwartet Beck. Schon im Sommer 2019 habe der Vorstand reagiert und einen „differenzierten Einstellungsstopp“ beschlossen, der die Chance einer gewissen personellen Erneuerung wahre.

Rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt die Stiftung in Berlin und Bonn, den Landes-, Regional- und Auslandsbüros. Auf rund zehn Prozent ihres Etats, rund 20 Millionen Euro, muss sie verzichten. „Wir werden bis Ende 2022 ohne betriebsbedingte Kündigungen rund 80 Stellen abbauen“, kündigt Beck an. Weder in Deutschland noch im Ausland müssten Standorte schließen.

Soll im Dezember neuer Chef der Stiftung werden: Martin Schulz, Ex-SPD-Kanzlerkandidat und -Parteichef.
Soll im Dezember neuer Chef der Stiftung werden: Martin Schulz, Ex-SPD-Kanzlerkandidat und -Parteichef.

© dpa

Wenn Schulz übernimmt, soll auch die inhaltliche Neuaufstellung vorangekommen sein. Die sei vor allem im laufenden Jahr „konzeptionell umgesetzt“ worden, meint der scheidende Chef Beck. Dafür seien etwa Abteilungen zusammengelegt worden mit dem Ziel, „unsere Arbeit qualitativ zu stärken, auch wenn wir weniger Stellen haben werden“. Abgeschlossen werden sollen die Planungen auf der Vorstandssitzung und der Mitgliederversammlung am 14. Dezember.

Beck hatte die Leitung von dem 2012 gestorbenen Peter Struck übernommen. Mit zwei wichtigen Entwicklungen musste sich die Stiftung in seiner Amtszeit auseinandersetzen: In Deutschland und anderen Industrieländern nahm die Polarisierung der Gesellschaft zu. Und im Ausland schränkten autokratische Regierungen die Spielräume für den politischen und gesellschaftlichen Austausch stark ein, was auch politische Stiftungen aus Deutschland hart traf.

Auf beide Entwicklungen habe die Stiftung unter seiner Leitung offensiv reagiert und ihre Schwerpunkte weiterentwickelt, sagt Beck. Da die Demokratie heute stärker als früher herausgefordert werde, habe die FES sich in der politischen Bildung und der Forschung stärker auf Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus konzentriert: „Das war mir besonders wichtig.“ Auch die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften habe die Stiftung ausgebaut, weil sie auch in die Unternehmen hineinwirken wolle.

Und trotz des wachsenden Drucks in manchen Gastländern habe die Stiftung ihre internationalen Bemühungen intensiviert. Becks Leitmotiv dabei: „Auch unter schwierigen Bedingungen dürfen wir uns nicht aus anderen Ländern zurückziehen, selbst dann nicht, wenn es die Demokraten dort schwer haben.“ Auch dann müsse die Stiftung dort versuchen, mit den Zivilgesellschaften zusammenzuarbeiten und sie zu stärken.

Übernahm die Leitung der Stiftung schon 2013 und hat den Sparkurs schon eingeleitet, wie er sagt: Kurt Beck, Ex-Ministerpräsident und SPD-Chef.
Übernahm die Leitung der Stiftung schon 2013 und hat den Sparkurs schon eingeleitet, wie er sagt: Kurt Beck, Ex-Ministerpräsident und SPD-Chef.

© REUTERS

Ein Beispiel ist Ägypten, wo die Arbeit unter der Militärdiktatur erheblich schwieriger geworden ist. FES-Mitarbeiter wurden kontrolliert oder von Sicherheitsbehörden zu Hause befragt, deutsche Angestellte mit Visafragen vor Probleme gestellt. Trotzdem entschied sich die Stiftung, zu bleiben. „Soweit ich weiß, sind wir die einzige deutsche politische Stiftung, die dort noch aktiv ist“, sagt der scheidende Chef: „Wir haben gesagt: Wir tun den Kräften, die uns raushaben wollen, den größten Gefallen, wenn wir tatsächlich gehen.“

Auch in Russland wurde die Arbeit schwieriger, in Nordafrika und in Afghanistan. Trotzdem hat die FES in Becks Amtszeit kein Auslandsbüro ganz schließen müssen: „Das konnten wir immer abwenden.“ Nun wagt die Stiftung sogar einen neuen Schritt – und will im Iran tätig werden. Mit Teheran soll im November ein „Letter of Understanding“ unterzeichnet werden. Von Berlin aus will die Stiftung ihre Arbeit in dem Land aufnehmen, das für die Unterdrückung von Meinungsfreiheit und Menschenrechten durch das Mullah-Regime berüchtigt ist. „Uns ist bewusst, dass es schwierig wird, wenn es um gesellschaftspolitische Themen oder Frauenrechte geht. Aber wir wollen austesten, was möglich ist“, sagt Beck.

Martin Schulz will über seine eigenen Pläne nicht reden, solange er sie nicht der Stiftung vorgestellt hat. Sein Vorgänger hat ihn aus zwei Gründen vorgeschlagen. Dessen europäische und internationale Erfahrung könne für die Stiftung sehr wichtig werden. Und er sei lange Bürgermeister gewesen – eine Tätigkeit, „die einen Menschen mit beiden Beinen auf dem Boden hält“. Es tue einer „so intellektuell aufgestellten Organisation wie der Friedrich-Ebert-Stiftung gut, dass sie von jemandem geleitet wird, der andere Erfahrungen als die aus der akademischen Welt mitbringt“. Man könnte es auch so sagen: Kurt Beck will, dass die FES geerdet bleibt.

Der Text erschien zuerst in der Beilage "Agenda" des Tagesspiegels.

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