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Sozialistische Internationale: Neuer SPD-Zusammenschluss: Progressiv statt sozialistisch

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat mit 70 anderen sozialdemokratisch orientierten Parteien die neue Bewegung „Progressive Allianz“ gegründet. Was wird jetzt aus der „Sozialistischen Internationale“?

Von Katrin Schulze

Kurz bevor sie offiziell uralt wurde, zettelte die SPD dann doch noch eine kleine Revolution an – und einen Streit. Am Donnerstag feiert die Partei ihren 150. Geburtstag, am Abend zuvor rief sie im Historischen Stadtbad Leipzig die sogenannte „Progressive Allianz“ ins Leben. Ein internationales Netzwerk, das nach eigenem Verständnis für Menschlichkeit und Solidarität, vor allem aber gegen die neoliberalen Kräfte kämpfen will. Mit dabei sind 70 sozialdemokratisch orientierte Parteien. Initiator ist die deutsche Sozialdemokratie.

Im Prinzip tritt die SPD damit in Konkurrenz zu sich selbst, ist sie doch schon in einem ähnlichen Bündnis aktiv: der Sozialistischen Internationale (SI). Aber diese Mitgliedschaft existiert inzwischen mehr aus formellen Gründen denn aus Überzeugung. Sie besteht eigentlich nur noch „aus Respekt vor der Geschichte“, wie aus Parteikreisen zu hören ist.

Hierzulande und auch darüber hinaus fiel die SI vor allem in den 1970er und 1980er Jahren auf, was viel mit ihrem damaligen Vorsitzenden Willy Brandt zu tun hatte. Gegründet wurde der Zusammenschluss von heute etwa 160 sozialistischen und sozialdemokratischen Organisationen erstmals aber schon 1889. Nachdem sich die SI 1951 in Frankfurt am Main wieder konstituiert hatte, schickte sie sich an, die Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt voranzutreiben und die Revolution in Spanien und Portugal zu unterstützen.

Doch mit Brandt verschwand zunehmend auch ihre Bedeutung. „Die SI ist stumm geworden“, sagte der frühere SPD-Chef Hans-Jochen Vogel kürzlich. Ihren jährlichen Beitrag für das Bündnis haben die Sozialdemokraten inzwischen von einst 100000 auf 5000 britische Pfund (6000 Euro) zurückgefahren. Und an Konferenzen nimmt auch nur noch ein sozialdemokratischer Beobachter teil. Immer wieder hat die SPD zudem offen mit dem Gedanken gespielt, die SI zu verlassen, wenn sich nichts ändern sollte.

Vor allem stoßen sich die Sozialdemokraten daran, dass dem Zusammenschluss Vertreter angehören, die sich weit von der politischen Überzeugung der Organisation entfernt haben. Die Parteien des früheren ägyptischen Diktators Husni Mubarak zum Beispiel. „Die SI ist keine Stimme der Freiheit mehr in der Welt“, schrieb der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel schon vor mehr als einem Jahr in einem Beitrag in der „Frankfurter Rundschau“. Nun legte er auf der Homepage seiner Partei noch einmal nach: „Nüchtern muss man feststellen, dass die SI in den letzten Jahren weder zu den Exzessen der Finanzmärkte noch zu den anderen globalen Herausforderungen (…) irgendeinen substanziellen Beitrag geleistet hat.“

Auf die Einlassungen Gabriels reagiert die SI erzürnt, gelinde gesagt. In einem offenen Brief werfen Präsident Georgios Papandreou, der bis vor kurzem Regierungschef in Griechenland war, und Generalsekretär Luis Ayala aus Chile dem SPD-Chef verleumderische Attacken und eine Spaltung der Linken vor. Diese Spaltung und auch die mutmaßlich weitere Schwächung der SI kalkulierte man im Willy-Brandt-Haus jedoch durchaus ein.

Zwei Jahre lang hat Gabriel, so ist zu hören, darauf gedrängt, sich von problematischen Parteien zu trennen und die SI zu reformieren. Dann hatte er genug. Aus sozialistisch wurde nun progressiv. Mit diesem Stichwort gewann die neue Allianz am Mittwochabend beispielsweise auch die Demokratische Partei der USA als Mitglied. Einer Organisation namens Sozialistische Internationale wäre die vermutlich niemals beigetreten.

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