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Baustelle Hartz IV: Am Ende muss der Europäische Gerichtshof entscheiden, ob EU-Ausländer in Deutschland diese Leistung bekommen.

© pa/dpa

Sozialleistungen für EU-Ausländer: Deutsches Gericht gewährt spanischen Arbeitslosen Hartz IV

Das Sozialgericht Dortmund hat einer arbeitslosen spanischen Familie Hartz-IV-Leistungen gewährt, obwohl dies nach deutschem Recht ausgeschlossen ist. Das wird die Debatte um "Sozialtourismus" neu befeuern. Und macht eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs umso dringlicher.

Von Lutz Haverkamp

Dieser Leistungsausschluss sei vermutlich mit Europarecht nicht vereinbar, begründete das Sozialgericht laut eigener Mitteilung vom Donnerstag seine Eilentscheidung. (Az: S 19 AS 5107/13 ER) Das Bundessozialgericht hatte wegen einer Vielzahl ähnlich strittiger Fälle bereits den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine grundsätzliche Entscheidung ersucht. Dabei geht es um die Frage, ob es sich bei Hartz IV um "Sozialleistungen" handelt, die EU-Ausländern verwehrt werden können, oder um "besondere Geldleistungen", die auch EU-Ausländern den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen und deshalb gewährt werden müssen.
Der aktuelle Fall betrifft ein spanisches Ehepaar, das seit Juli 2013 mit vier Kindern in Nordrhein-Westfalen von geringfügigen Beschäftigungen und von Kindergeld lebt. Den Antrag der Eltern auf Hartz IV lehnte das Jobcenter in Iserlohn ab, weil laut Gesetz EU-Ausländer, die sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten, keinen Anspruch auf Leistungen haben Das Sozialgericht Dortmund gewährte der Familie nun vorerst 1033 Euro monatlich und begründete dies mit "erheblichen Zweifeln" an der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses für EU-Bürger mit dem Gemeinschaftsrecht der EU.

Die EU verbietet die Ungleichbehandlung von EU-Bürgern

Die Antwort auf die Frage, ob die durch Steuern finanzierten Hartz-IV-Leistungen anderen EU-Bürgern vorenthalten werden dürfen, ist umstritten. Die Europäische Union verbietet die Ungleichbehandlung von EU-Bürgern auch bei Sozialleistungen, die mit zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dienen, und beruft sich dabei auf das Grundrecht der Freizügigkeit ihrer Bürger. Laut einem EuGH-Urteil vom Juni 2009 dürfen EU-Bürger deshalb nicht von "besonderen beitragsunabhängigen Leistungen" ausgeschlossen werden, die den "Zugang zum Arbeitsmarkt" erleichtern sollen.

Der deutsche Gesetzgeber hatte aber die Gewährung von Hartz-IV-Leistungen an arbeitsuchende EU-Ausländer mit der Begründung ausgeschlossen, dabei handele es sich um "Sozialhilfeleistungen", die nach einer Ausnahmeregelung der EU-Richtlinie ausgeschlossen werden dürften.
Verschiedene Gerichte, wie nun das Sozialgericht Dortmund, verweisen dagegen darauf, dass Hartz IV vom Gesetzgeber als "Grundsicherung für Arbeitsuchende" bezeichnet wird. Es handele sich deshalb womöglich um eine "besondere beitragsunabhängige Leistung", die auch EU-Ausländern gewährt werden müsse.

Zahl der Leistungsempfänger steigt

EU-Ausländer, die in Deutschland Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II - Hartz IV - empfangen, sind gar nicht so selten. Und die Tendenz ist vor allem für Arbeitsuchende aus Osteuropa und den von der EU-Schuldenkrise besonders gebeutelten Staaten steigend. Für die Gruppe der acht Staaten, die der EU am 1. Mai 2004 beigetreten sind - Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen - hat die Bundesagentur für Arbeit für Oktober 2013 im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg von 19 Prozent errechnet. In absoluten Zahlen waren das im vergangenen Oktober knapp 97.000 Menschen. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Leistungsempfänger aus Bulgarien und Rumänien um 50 Prozent, und zwar um knapp 14.000 auf 42.000 Menschen. Die Zahl der Leistungsempfänger aus Griechenland, Italien, Portugal und Spanien ist im Oktober 2013 im Vorjahresvergleich in der Summe um zehn Prozent gestiegen. Dabei gab es die deutlichsten Zunahmen bei den Spaniern mit 30 Prozent. Insgesamt bezogen nach Berechnungen der Bundesagentur im Oktober 2013 knapp 124.000 Menschen aus diesen vier Staaten Leistungen nach Hartz IV. In ganz Deutschland waren es etwas mehr als sechs Millionen. (mit AFP)

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