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Sozialpolitik: Bundesagentur verschickt schon Bescheide über Hartz-Kürzung

Aufregung um Kürzungsbescheide der Bundesagentur für Arbeit an Hartz-IV-Empfänger: Darin werden die zum 1. Januar geplanten Kürzungen - etwa beim Elterngeld - bereits berücksichtigt, obwohl Bundestag und Bundesrat noch gar nicht zugestimmt haben.

"Wir projizieren die Bescheide auf die Rechtslage der Zukunft", erklärte BA-Sprecherin Anja Huth am Freitag in Nürnberg. Bereits jetzt würden Zahlungen für Anfang 2011 bewilligt - die Bundesagentur wolle vermeiden, zu viel Geld zu bezahlen. Im Bundesrat hat das schwarz-gelbe Regierungslager aber keine Mehrheit - die Opposition hat Widerstand gegen das Vorhaben angekündigt.

Das Bundesarbeitsministerium verteidigte das Vorgehen der BA: Es handele sich um einen "Vorgriff" auf die geplante und vom Bundeskabinett schon gebilligte Gesetzesänderung", sagte Ministeriumssprecher Jens Flosdorff. Dies habe computertechnische Gründe. Da es sich um ein im Bundesrat nicht zustimmungspflichtiges Gesetz handele, sei davon auszugehen, dass es am 1. Januar in Kraft trete. Sollte dies nicht der Fall sein, könnten die Betroffenen im Februar mit Rückerstattungen rechnen.

"Bewilligen wir für Januar nach den alten höheren Sätzen und das Gesetz kommt durch, müssten wir das Geld zurückfordern", erläuterte Huth weiter. Sollte das Gesetz aber scheitern oder noch verändert werden, erhielten die Empfänger eine Nachzahlung. Die Behörde praktiziert das bereits seit September so.

Den Empfängern würden keine Nachteile entstehen, aber nachzuzahlen sei weniger aufwendig als zurückzufordern, sagte Huth. "Wir haben uns für die bürokratieärmste Lösung entschieden." Die Sprecherin bestätigte damit einen entsprechenden Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). "Der Beitrag suggeriert aber fälschlich, dass wir willkürlich handelten", sagte Huth.

Hartz-IV-Empfänger ohne eigenes Arbeitseinkommen sollen nach dem Plan der Regierung die 300 Euro Elterngeld im Monat nicht mehr zusätzlich zum Regelsatz von derzeit 359 Euro bekommen. Die Koalition will Jobsuchenden zudem das Übergangsgeld beim Wechsel von Arbeitslosengeld I zu Hartz IV streichen. Außerdem erhalten Selbstständige, die privat rentenversichert und zu Hartz-IV-Empfängern geworden sind, keinen Zuschuss mehr für ihre Altersvorsorge. In den Bescheiden würden die Empfänger auf die kommenden Änderungen hingewiesen, so Huth.

Nach Angaben der BA sind davon insgesamt 300.000 Familien betroffen. Dem Zeitungsbericht zufolge wird sie in ihrem Vorgehen vom Bundesarbeitsministerium unterstützt. Vertreter der Kommunen hielten das Verfahren dagegen für schlicht "rechtswidrig", weil es noch keine gültige Rechtsnorm für die erlassenen Bescheide gebe.

Die Zeitung zitiert aus einem Schreiben des Städtetags an das Ministerium: "Wir befürchten enorme verwaltungsorganisatorische und ökonomische Auswirkungen aufgrund der Vielzahl der zu erwartenden Widerspruchs- und Klageverfahren." Die Kommunen sind für die Bescheide mitverantwortlich, weil sie Leistungen für Unterkunft und Heizung an Hartz-IV-Empfänger gewähren.

Kritik kommt auch von der Opposition. "Fakt ist, dass weder Parlament noch Bundesrat über die Pläne von (Arbeits-)Ministerin Ursula von der Leyen entschieden haben. Bis das nicht passiert ist, ist es rechtswidrig, wenn die Jobcenter vorauseilend den Regierungswillen ausführen und damit Fakten schaffen", sagte die Arbeitsmarktexpertin der Grünen, Brigitte Pothmer. (dpa)

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