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Sozialpolitik: Die Pflegeversicherung soll mehr leisten

Nur ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der Pflegereform nehmen Experten die nächste Reform ins Visier. Der Beirat des Ministeriums plant fünf statt drei Stufen und höhere Leistungen für Demenzkranke.

Berlin - Nur ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der Pflegereform nehmen Experten die nächste Reform ins Visier. Nach der Empfehlung eines vom Gesundheitsministerium eingesetzten Expertenbeirats soll es für die rund zwei Millionen Pflegebedürftigen künftig nicht mehr drei, sondern fünf Pflegestufen geben. Eines der Ziele ist, dass De menzkran ke höhere Leistungen als bisher erhalten. Es gehe um einen „ethisch relevanten Perspektivwechsel“, sagte der Beiratsvorsitzende und frühere Diakonie-Präsident Jürgen Gohde. Entscheidend für den Grad der Pflegebedürftigkeit solle nicht mehr der pflegerische Zeitbedarf sein, sondern die Selbstständigkeit der Betroffenen.

Gohde zeigte sich zuversichtlich, dass die Vorschläge zeitnah umgesetzt werden. „In einem Jahr wird es eine neue Pflegereform geben“, sagte er. Im Beirat herrsche Konsens, es ge be keine Differenzen. Gesundheitsministerin Ul la Schmidt (SPD) soll den Bericht der 31 Experten aus Verbänden, Ministerien, Kommunen, Wissenschaft und Krankenkassen zum Jahresende erhalten. Zu den Vorschlägen wollte sie sich noch nicht äußern. Die Ministerin stehe in engem Kontakt und vertrauensvollem Verhältnis zur Beiratsspit ze, betonte der Leiter der Unterabteilung Pflegeversicherung im Ministerium, Matthias von Schwanenflügel. Zudem besitze das Thema für sie „hohen Stellenwert“.

Die Überarbeitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs ist im Koalitionsvertrag festgelegt. Der Expertenbeirat befasst sich seit November 2006 damit. Dass Schmidt es nicht geschafft hatte, ihre Pflegereform mit dem Ergebnis des Gremiums zusammenzubringen, war bereits im Gesetzgebungsverfahren auf Kritik gestoßen.

Bisher, sagte Gohde, habe man Pflegebedürftigkeit vor allem auf den Hilfsbedarf bei Alltagsverrichtungen reduziert. Dadurch erhielten Demenzkranke oft gar keine Leistung aus der Pflegeversicherung. Auch Behinderte und pflegebedürftige Kinder könnten von den neuen Richtlinien profitieren. Neben körperlicher Beeinträchtigung müssten die Gutachter auch geistig-psychische Einbußen und den entsprechenden Aufsichtsbedarf stärker berücksichtigen. Ein Probelauf durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen mit der Universität Bremen habe ergeben, dass die neuen Kriterien „mehr Gerechtigkeit“ ermöglichten. Auch hätten die Prüfer fast dreimal so oft zu Reha-Maßnahmen geraten wie bisher.

Über die Kosten des neuen Ansatzes gibt es noch keine Angaben. Die Beiratsmitglieder stellten aber klar, dass bereits begutachtete Leistungsempfänger keine Einbußen befürchten müssen. Man habe „die schwierige Balance zu finden zwischen den finanziellen Möglichkeiten und dem Wunsch, den Hilfsbedarf von Pflegebedürftigen besser zu berücksichtigen“, sagte eine Ministeriumssprecherin. In dieser Wahlperiode sei mit einer Umsetzung kaum mehr zu rechnen.

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