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Sozialstaatsdebatte: FDP erwägt Senkung der Hartz-IV-Sätze

Trotz Schelte der Kanzlerin lassen die Liberalen nicht locker: Langzeitarbeitslose sollen mehr hinzuverdienen können – bei niedrigeren Regelsätzen.

In der FDP gibt es Widerstand gegen die Äußerungen des FDP-Wirtschaftspolitikers und Bundestagsabgeordneten Martin Lindner, der eine Absenkung der Hartz-IV-Regelsätze ins Spiel gebracht hatte. "Eine Absenkung wird von den zuständigen Fachpolitikern der FDP-Bundestagsfraktion nicht diskutiert", sagte Fraktionsvize Heinrich Kolb am Donnerstag in Berlin.

Die FDP strebe eine am tatsächlichen Bedarf ausgerichtete Neuregelung der Hartz-IV-Regelsätze an. Auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Fraktion, Johannes Vogel, sagte: "Eine Kürzung steht dabei für die FDP aber überhaupt nicht zur Debatte."

Lindner hatte der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gesagt: "Das Verfassungsgericht hat uns die Aufgabe gestellt, die Hartz-IV-Sätze nachvollziehbar neu zu berechnen. Wir führen in der FDP-Fraktion die Diskussion, wie wir dabei die Anreize, in Arbeit zu kommen, stärken."

Man wolle Aufstockern, die zusätzlich zum Einkommen Hartz-IV-Leistungen erhalten, ermöglichen, mehr hinzuzuverdienen. "Dabei wird auch darüber zu sprechen sein, ob man nicht im Gegenzug die Regelsätze absenken muss, damit Vollbeschäftigte besser dastehen als Teilzeitjobber."

Als Vater trete er sehr dafür ein, dass man erreicht, was das Verfassungsgericht gerade auch für Kinder verlange: Teilhabe, Partizipation, keine Benachteiligung. Als Wirtschaftspolitiker dränge er aber darauf, "dass man das über gezielte Sachleistungen erreicht und nicht jetzt so viel Geld ins System gibt, dass es am Ende attraktiv wird, übers Kinderkriegen Geld zu verdienen", sagte Lindner.

Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner sprach sich am Donnerstag erneut für eine Reform des Sozialstaates aus. Der Wohlfahrtsstaat habe Eigenverantwortung entbehrlich gemacht, Aufstiegswillen gebremst und Mitmenschlichkeit durch anonyme Rechtsansprüche ersetzt, schrieb Lindner in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

"In einem der am besten finanzierten Wohlfahrtssysteme sind viele Menschen dauerhaft von Arbeit und Bildung ausgesperrt. Obwohl soziale Zwecke bald ein Drittel der Wirtschaftsleistung beanspruchen, werden Sozialhilfekarrieren erblich", so Lindner. Die Sozialpolitik müsse zu Beschäftigung aktivieren.

Lindner befeuert damit die seit Wochen andauernde Debatte über die Unterstützung sozial Schwacher durch den Staat. Die größte Empörung ausgelöst hatte FDP-Chef Guido Westerwelle mit Äußerungen über Hartz-IV-Bezüge, die der Staat nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nun neu berechnen muss: "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein", hatte Westerwelle gesagt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte ihren Stellvertreter im Kabinett dafür am Mittwoch erstmals auch persönlich öffentlich kritisiert.

Die CDU interessiere sich als Volkspartei "nicht nur für Gruppen, sondern für alle", sagte die Parteichefin mit Blick auf die FDP. "Ich habe klargemacht, dass das, was Guido Westerwelle gesagt hat, nicht meine Worte sind. Das ist nicht mein Duktus", betonte Merkel bei einem Auftritt zum Politischen Aschermittwoch in Demmin (Mecklenburg-Vorpommern).

Der stellvertretende Vorsitzende der IG Metall, Detlev Wetzel, sagte, entsprechende Lohnabstände zwischen Arbeitenden und Empfängern staatlicher Hilfe seien grundsätzlich richtig. Westerwelle versuche jedoch, aus Opfern Täter zu machen. "Erst werden 20 Prozent der Leute in den Niedriglohnsektor gezwungen, andere werden arbeitslos, dann drückt man die Löhne und wirft den Menschen schließlich vor, dass der Lohnabstand nicht eingehalten wird", sagte Wetzel der Braunschweiger Zeitung. "Ein größeres Maß an Heuchelei habe ich noch nicht erlebt."

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa

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