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Sozialstaatsdebatte: Westerwelle will Hartz-IV-Empfänger Schnee schippen lassen

Kaum ein Tag vergeht, an dem der FDP-Chef in der Hartz-IV-Debatte nicht nachlegt. Jetzt fordert er, junge Sozialleistungsempfänger zum Schneeschippen zu verpflichten.

FDP-Chef Guido Westerwelle sagte der Bild am Sonntag, junge und gesunde Hartz-IV-Empfänger sollten zu zumutbarer Arbeit verpflichtet werden – etwa zum Schneeschippen. In Berlin liege beispielsweise seit Wochen Eis und Schnee auf den Bürgersteigen. "Da könnte die Stadt doch junge Sozialempfänger zum Räumen der Bürgersteige einsetzen. So praktisch ist das Leben", sagte Westerwelle. Und weiter: "Wer sich dem verweigert, dem müssen die Mittel gekürzt werden."

Die Jobcenter sollten diese gesetzliche Möglichkeit stärker umsetzen. Umgekehrt müsse die Sozialstaatsverwaltung jedem jungen Menschen ein Arbeitsangebot machen. Der FDP-Chef plädierte – wie es das Wahlprogramm seiner Partei vorsieht – für Bildungsgutscheine und Ganztagsschulangebote statt Geldzahlungen.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bezeichnete die Sozialstaatsdebatte als "zu holzschnittartig". Pauschale Vorwürfe wie die von Westerwelle führten nicht weiter, sagte sie dem Tagesspiegel am Sonntag. Wolfgang Bosbach (CDU) hielt Westerwelle im Spiegel "klassisches Oppositionsgehabe" vor.

Inhaltliche Zustimmung bekam der FDP-Chef aus dem Wirtschaftsflügel der Union. "Es muss klar sein, dass sich niemand in den Sozialsystemen ausruhen darf", sagte der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, der Leipziger Volkszeitung. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, verlangte von Merkel in der Wirtschaftswoche Einsparungen im Sozialetat und einen klaren Reformkurs. Die CDU müsse die Fesseln der großen Koalition ablegen.

Sozialpolitiker der Union hielten dagegen. Der Experte der Bundestagsfraktion, Karl Schiewerling (CDU), lehnte pauschale Sozialkürzungen ab. "Ich halte das für ziemlich abwegig, in der jetzigen Situation die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, denjenigen aufzuhalsen, die von Sozialhilfe abhängig sind", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Für die Christlich-demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) sagte deren Vize Christian Bäumler: "Was mich an Westerwelle ärgert, ist, dass er Stimmung gegen sozial Schwache macht, ohne konkret zu sagen, was er verändern will." Der Sozialverband VdK warf Westerwelle vor, Wahlkampf auf Kosten der Armen zu machen.

Die anhaltende Debatte zeigt, dass Merkels Aufruf zum Maßhalten recht wirkungslos verhallt ist. Die Kanzlerin hatte gerügt, die Äußerungen Westerwelles seien nicht ihre Wortwahl. Der FDP-Chef wiederum sagte: "Ich bin der Vorsitzende der FDP mit einer eigenen Meinung."

Sein Verhältnis zu Merkel nannte er ungetrübt. Er verwies auf Unterschiede im Temperament: "Sie ist in der Uckermark, ich bin im Rheinland aufgewachsen. Wir haben unterschiedliche Temperamente und wollen sie auch nicht verstecken müssen." Er sei sich "absolut sicher", dass Schwarz-Gelb bis zum Ende der Legislaturperiode halte.

In der FDP wurde derweil der Ruf laut, Merkel solle eigene Vorschläge zum Umbau von Hartz IV vorlegen. Die FDP-Fraktionsvize Miriam Gruß sagte der Bild-Zeitung, statt Kritik an der FDP zu üben, solle Merkel sich mit Vorschlägen in die Diskussion einbringen "und endlich Verantwortung übernehmen".

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte der Braunschweiger Zeitung, man werde im Bundestag alle Möglichkeiten nutzen, um die Kanzlerin und ihren Vize zu einer Stellungnahme zu zwingen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hielt Westerwelle im Deutschlandfunk "billigen Populismus" vor. Linke-Fraktionsvorstand Petra Pau kritisierte, die FDP wolle "Arbeitslose knechten".

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa

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