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Sozialsystem: Armut in Deutschland steigt rasant

11,5 Millionen Deutsche sind von Armut betroffen – ein Drittel mehr als vor zehn Jahren. Derweil ging am politischen Aschermittwoch die Sozialstaatsdebatte in die nächste Runde.

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Berlin - Immer mehr Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, leben unterhalb der Armutsschwelle. Mitten in der seit gut einer Woche anhaltenden Debatte um das deutsche Sozialsystem und die Hartz-IV-Regelsätze legten Wissenschaftler des Berliner Wirtschaftsinstituts DIW am Mittwoch eine Studie zur Armutsentwicklung vor. Danach galten im Jahr 2008 rund 14 Prozent der Bevölkerung und damit rund 11,4 Millionen Menschen als armutsgefährdet. Das sind rund ein Drittel mehr als vor zehn Jahren.

Die Autoren der Untersuchung warnen jedoch vor der Illusion, dass Politik mit steigenden Regelsätzen für die Langzeitarbeitslosen und ihre Familien das Armutsproblem wirksam bekämpfen können. Damit lindere man zwar die Symptome, aber nicht die Ursachen von Armut. Sinnvoller seien Investitionen in Betreuungseinrichtungen und in die Verbesserung der Erwerbschancen für Alleinerziehende und Eltern kleiner Kinder.

Die Debatte um soziale Leistungen und die Kritik von FDP-Chef und Vizekanzler Guido Westerwelle am Sozialstaat bestimmte auch den traditionellen Schlagabtausch der Parteien am politischen Aschermittwoch. Westerwelle beharrte im bayerischen Straubing auf seinen umstrittenen Äußerungen „Es mag mich der linke Zeitgeist dafür kritisieren, doch es bleibt dabei: Arbeit muss sich lohnen, und wer mehr arbeitet, muss mehr bekommen als der, der nicht arbeitet.“ Auch die Kritik an seiner provozierenden Wortwahl von der „spätrömischen Dekadenz“, wies er zurück. Die Kanzlerin nahm am Mittwoch erstmals persönlich Stellung zu Westerwelles Äußerungen: „Das sind nicht meine Worte und das ist nicht mein Duktus“, sagte Angela Merkel auf dem politischen Aschermittwoch der CDU in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern.

CSU-Chef Horst Seehofer, dessen Partei Westerwelle in den vergangenen Tagen massiv kritisiert hatte, mahnte in der Diskussion über Hartz-IV-Sätze zur Besonnenheit. Zugleich empfahl er seinem „Freund Guido, mehr Gelassenheit und mehr Souveränität aufzubringen, wenn es um wichtige Fragen unserer Nation geht“. Mit Blick auf die Streitigkeiten in der schwarz-gelben Koalition im Bund sagte Seehofer, es sei nicht die Zeit für „Wackeleien“, sondern für einen klaren gemeinsamen Kurs. Die CSU stehe zum Regierungsbündnis sagte Seehofer unter Verweis auf Gemeinsamkeiten mit der FDP in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das bedeute jedoch nicht, dass alle in der Berliner Koalition gleich denken, reden und marschieren müssten. So bleibe er in der Gesundheitspolitik ein Gegner einer einheitlichen Pauschale, „wo die Kleinen mehr und die Größeren weniger bezahlen müssen“, sagte Seehofer. Am kommenden Mittwoch will der CSU-Chef mit Westerwelle und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut über die Zukunft des schwarz-gelben Bündnisses beraten. Das bestätigten Koalitionskreise am Mittwoch dem Tagesspiegel.

SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Westerwelle vor, Hartz-IV-Empfänger zu Sündenböcken zu machen. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai müsse die SPD der schwarz-gelben Koalition „ein Stoppschild setzen“. Wenn es gelinge, die dortige Landesregierung aus CDU und FDP abzulösen, bestehe die Chance, „den größten Unsinn noch zu verhindern“.

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